Geheimbünde: Freimaurer und Illuminaten, Opus Dei und Schwarze Hand (German Edition)
Finanzierungsmittel zugunsten vieler Länder und politisch-religiöser Vereinigungen des Ostens und des Westens verfügt hat. Ich bin es gewesen, der (…) die Gründung zahlreicher Banken koordiniert hat, vor allem zur Bekämpfung des Eindringens und der Verbreitung philomarxistischer Ideologien; und ich bin es schließlich, der heute von genau denselben Autoritäten verraten und im Stich gelassen wird.»
Calvi ist, so viel wissen die Ermittler zum Zeitpunkt seines Todes bereits, als P 2-Schatzmeister Nachfolger des zu jener Zeit schon wegen Finanzvergehen und Falschaussage unter Anklage stehenden Michele Sindona. Auf sehr italienische Weise setzt ein mit Zyanid versetzter Espresso Sindonas Leben ein Ende. Calvi liefert sein Meisterstück ab, indem er zwei biedere katholische Banken so reorganisiert, dass deren bis dahin bescheidene Erträge förmlich explodieren.
Heute, in Zeiten der Bankenkrise, ist klar: Hohe Erträge bedeuten hohe Risiken und können ein Zeichen unsauberer Geschäftspraktiken sein. Damals erhält Calvi jedoch den Titel «Bankier Gottes» und wird allseits bewundert. Was immer der chronisch klamme Vatikan an Geldmitteln braucht – der Chef des Geldhauses Banco Ambrosiano schafft es, jeden Wunsch zu erfüllen.
Wie Calvi das bewerkstelligt, skizziert der Journalist Corrado Augias in seinem Buch «Die Geheimnisse des Vatikan»: «Er schreibt sich in der Geheimloge P2 ein, knüpft riskante Beziehungen zur Mafia (und) hebt gemeinsam mit dem IOR einige Unternehmen in Steuerparadiesen aus der Taufe.» Das IOR ist das Istituto per le Opere di Religione und wird landläufig Vatikanbank genannt. Es stellt die Garantien aus, die es Calvi ermöglichen, Geld auf dem internationalen Markt zu besorgen. Auch Geld aus dem Waffen- und Drogenhandel ist darunter. Als Sicherheit dienen zwei Tonnen Gold, die hinter den bis zu neun Meter dicken Mauern des Torrione di Niccolò V. im Vatikan gelagert werden. Der festungsartige Turm ist der Sitz der Vatikanbank.
Die Banco Ambrosiano ist allen zu Diensten: der Führung der P2, der Mafia und der katholischen Kirche. Als die Finanzaufsicht in den USA und in Italien im Zuge ihrer Geldwäsche-Ermittlungen im Fall Sindona immer wieder auf die Banco Ambrosiano stößt, bricht das Finanzkartenhaus Calvis schnell zusammen. Die Mafia will ihr Geld zurück. Das IOR weigert sich, ihre Garantien einzulösen und die Schulden der Banco Ambrosiano zu bezahlen. Was bleibt, ist ein Defizit in Höhe von 1,3 Milliarden Dollar. Das Geld ist verschwunden. Das wird Calvi das Leben kosten.
Es braucht 23 Jahre, bis die Justiz Italiens sich aufgrund von Indizien zu einem Mordprozess im Fall Calvi durchringt. Doch die Verdächtigen werden freigesprochen. Der Investigativ-Journalist Gianluigi Nuzzi («Vatikan AG») glaubt nicht, dass es eine Mafia-Tat war. «Dass die Mafia Calvi ermorden ließ, weil er ihr 2000 Milliarden Lire schuldete, ist eher unwahrscheinlich. Denn erfahrungsgemäß sorgt die Mafia zuerst dafür, dass sie ihr Geld zurückbekommt, und begleicht erst dann alte Rechnungen.»
Ist es die P2, die hinter Calvis Ermordung steckt? Der ruinierte Bankchef unternimmt möglicherweise eine Verzweiflungstat und will Gelli durch Erpressung zur Unterstützung zwingen – obwohl Calvi vermutlich weiß, wie gefährlich das ist. Denn 1979 versucht auch der Sensationsjournalist Carmine Pecorelli, sich Gelli gefügig zu machen. Das P 2-Mitglied droht brisante Fakten über die Loge und ihre mächtigen Hintermänner zu veröffentlichen. Wenig später wird Pecorelli auf offener Straße erschossen – angeblich von Anarchisten oder den Roten Brigaden. Als Calvi aus Italien flieht, besitzt er laut eines Presseberichts ebenfalls wertvolle Dokumente. Calvi trägt sie in einem Koffer bei sich, dessen Spur sich in London verliert.
Der lange Schatten der P2
Nur durch einen Zufall entdeckt die Justiz 1981 das ganze Ausmaß der Verschwörung der «Loge des Bösen». Bei einer Durchsuchung der Villa des P 2-Chefs Licio Gelli im Zuge von Ermittlungen im Fall Banco Ambrosiano findet die Finanzpolizei Papiere mit 962 Namen hochrangiger Persönlichkeiten, die Mitglieder in der P2 sind. Italiens Öffentlichkeit ist einiges an Politskandalen gewöhnt. Denn die Existenz des «Sottogoverno», einer Schattenregierung, gehört zu den politischen Grundstrukturen Italiens, deren offizielle Regierung immer nur eine von mehreren Machtzentren darstellt. Aber die P 2-Liste schlägt alle Rekorde: Auf ihr finden
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