Geheimcode F
Pferderücken aus. Da sieht man wenigstens alles... aus der richtigen Perspektive, das schadet keinem von uns, oder...?« erklärte sie und schwang sich als erste in den Sattel.
Rica war gerade einem Teil des nach ihr ausgesandten Suchtrupps um Haaresbreite entwischt. Jetzt kletterte sie samt Schwein wieder aus ihrem Versteck, einem dornigen und Juckreiz verbreitenden Buschwerk gleich neben der Landstraße. Sie rieb ihre rotgefleckten Waden und Arme. Der Pullover hatte auch was abgekriegt, und die Jeans sah aus wie nach einer Rutschpartie. »Verfluchte Schweinerei!« Dann sah sie, viel zu spät, um sich wieder zu verstecken, Anastasia in ihrem Oldtimer näher kommen.
»Na, wer geht denn da spazieren«, wunderte sich die alte Frau. »Das ist doch Rica... und will sich auch noch vor mir verstecken, seltsam...« Sie hielt in einiger Entfernung an und tat so, als hätte sie das Mädchen noch nicht bemerkt. »Hier muß es gewesen sein«, sprach sie so laut zu sich selbst, daß Rica mithören konnte. »Ich riech dich doch, Johanniskraut! Da ist auch das Katharinenkraut nicht weit... Wo ist es denn bloß...« Langsam näherte sie sich der verblüfften Rica. »Na, wo ist es denn...« Sie blickte auf und tat so, als hätte sie Rica gerade erst entdeckt. »Hast du hier etwa übernachtet?« Rica fühlte sich überrumpelt. »Nein, ich habe nur Marie-Antoinette spazierengeführt !« — »Das ist aber lieb von dir. Da wird sich Meister Gerard aber freuen, wenn ich ihm das erzähle. Und warum hast du so viel Gepäck dabei, ist das nicht etwas beschwerlich?« fragte sie weiter. »So ein Schwein frißt sehr viel...« Die Antwort war nicht sehr schlau, das merkte Rica sofort. Anastasia musterte sie eingehend und prüfte mit einem Griff auch den Inhalt ihres Beutels. Sie nickte nur. »Schweinefutter, ich verstehe. Eigentlich wollte ich ja in die Stadt fahren, aber ich denke, wir sollten jetzt doch lieber einmal gut frühstücken. Nur wir zwei. In Ordnung?« Der Vorschlag kam Rica gerade recht. Sie hatte einen Riesenhunger und war schrecklich müde, denn hier zwischen Heckenrosen und Lorbeerblättern hatte sie kaum ein Auge zugetan.
Dankbar nahm sie an und kletterte samt Schwein in Anastasias Wagen. Während der Fahrt fielen ihr ständig die Augen zu. Kurz darauf saßen die beiden bei Kuchen und Café au lait im Garten der alten Frau. Rica fühlte sich langsam wieder besser, und Anastasia fand es an der Zeit, doch einmal zum Kern der Sache zu kommen: »Wohin wolltest du denn nun wirklich?« Rica hustete verlegen. Sie hatte sie also durchschaut. Na ja, auch gut. Es war ihr ganz recht, mit jemandem zu reden. Natürlich nur über die halbe Wahrheit. »Na, dorthin, wo alle hinwollen, ans Mittelmeer«, erklärte sie. »Ich trampe dorthin, und dann treffe ich Gerard und gebe ihm sein Schwein.« — »Aha, ganz einfach. Ja, ich könnte dich natürlich zum Bahnhof bringen oder zur Autobahn, aber auch da wird keiner halten. Flugzeug entfällt wohl auch«, überlegte Anastasia. Zwei so ungewöhnliche Passagiere waren nicht ganz einfach unterzubringen. Das leuchtete auch Rica ein.
»Könnte das Schwein nicht vielleicht hier bleiben?« fragte sie schüchtern. Anastasia schüttelte sofort den Kopf. »Nein, nein, nicht dieses Tier. Ich weiß ganz genau, wie schwierig es ist: Flöte spielen vor dem Essen, singen nach dem Essen, nein, so viel Zeit habe ich nicht«, lehnte Anastasia diesen Vorschlag kategorisch ab. Rica seufzte.
»Kind, bist du wirklich sicher, daß du das Richtige tust?« fragte Anastasia eindringlich. »Deine Familie, deine Freunde, alle werden sich Sorgen machen.«
»Ich will doch, daß sie nach mir suchen«, gab Rica trotzig zurück und merkte im selben Moment, daß sie sich jetzt verraten hatte. Aber ihr Entschluß stand fest, da konnte Anastasia noch so sehr auf sie einreden! Die hatte aber ganz anderes im Sinn. »Also, du bist fest entschlossen, abzuhauen? Möchtest, daß alle so richtig leiden?« Rica nickte wieder. »Ich habe auch gelitten!« meinte sie schmollend. Ihr Gesichtsausdruck sprach Bände. Anastasia seufzte. Da war wohl nichts zu machen, bei so viel gekränkter Eitelkeit... »Ach ja, du auch. Dann müssen wir uns wohl was überlegen...« Sie dachte nach. »Gut, ich werde dir helfen. Du sollst deinen Willen haben. Aber beklage dich nicht, wenn es ungemütlich wird. Ich halte das Ganze ja für einen Fehler. Aber das ist das Problem dieser Menschheit, daß kaum eine nützliche Erfahrung weiterzugeben
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