Geheimcode F
Gräfin, wie geht es Ihnen?« wurde sie von Fabiola empfangen.
»Oh, Madame!« Anastasias Überraschung sah echt aus. »Was führt Sie zu mir?« Fabiola wollte gerade antworten, als ein bunter Farbtupfer im Gras ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Sie bückte sich und hob den Gegenstand auf. »Der gehört nicht zufällig Ihnen?« fragte sie die Alte und deutete auf den bunten Socken in ihrer Hand. Es war einer der Schweinesocken, die Rica benutzt hatte, um in der Nacht ihrer Flucht die Laufgeräusche des Vierbeiners zu dämpfen.
»Entschuldigen Sie, daß ich hier so eingedrungen bin, aber wir suchen Rica...« begann Fabiola zögernd.
»Sie ist nicht da!«
»Wir vermuten, daß sie abgehauen ist. Ihr ganzes Gepäck ist weg und das Schwein von Monsieur Gerard auch...«
»Wieso das Schwein?« Anastasia hatte vergessen, Rica nach dem Grund zu fragen.
»Weil es ihr anvertraut wurde«, antwortete Fabiola und blickte sich um.
»Sie wird nicht weit kommen!« orakelte Anastasia. »Außer, jemand hilft ihr!«
Fabiola sah Anastasia lange und durchdringend an. »Ich mußte ihr helfen. Das ganze schöne Zureden half nichts. 24 Stunden, bis dahin muß sie sich gemeldet haben!« Fabiola nickte. Ihre Ahnung hatte sie also nicht getäuscht. »Wie werden Sie das ihrer Mutter erklären?«
»Was hätten Sie denn getan? Sie verpfiffen? Natürlich nicht. Man kann ein Kind nicht so enttäuschen. Gute Freunde von mir helfen ihr. Sie ist in besten Händen!«
Die ganze Familie saß wie aufgefädelt um das Telefon herum. Die Spannung der letzten Stunden hatte alle bis an den Rand der Erschöpfung gebracht. Dora hatte ganz rote Augen, redete sich aber auf Heuschnupfen aus. Schließlich sollte ihr keiner vorwerfen, daß sie ihre Kinder an sich kettete und mit Absicht unselbständig hielt. Ihre Angst um Rica war deshalb aber um keine Spur kleiner geworden.
»Warum ruft sie nicht wenigstens an?« stöhnte Opa, der allmählich auch die Nerven verlor.
»Ich weiß nicht, was können wir tun...« Dora schneuzte sich zum hundertsten Mal. Mylene saß an ihrer Seite und murmelte: »Diese Warterei wird wirklich unerträglich.«
Draußen fuhr ein Wagen vor, und alle blickten wie auf Kommando zur Tür. Fabiola trat ein und begrüßte die Wartenden mit einem fröhlichen: »Na, hat sie sich schon gemeldet?«
»Nichts bisher. Und Sie, haben Sie eine Spur?« Madame Duffys sonst so gefaßte Stimme war irgendwie außer Kontrolle geraten. Fabiola setzte zu einer Erklärung an. Ein schrilles Klingeln löste die schreckliche Spannung. Das Telefon. Rica?
»Rica! Hallo! Rica! Bleib am Apparat!« Madame Duffy reichte den Hörer gleich weiter an Vater Ruhland, der direkt neben ihr saß. »Rica?«
»Gib doch mal, Frank!« drängte Dora. »Rica! Mein Schatz, wo bist du denn? Wo steckst du? Nein, ich frage nicht. Geht es dir gut?«
»Hat sie eine Unterkunft?« Das war Vater.
»Und wie geht’s dem Schwein?« Typisch Opa. Er erntete auch gleich empörte Blicke für seine Zwischenfrage.
»Mensch, Rica, wir haben uns solche Sorgen gemacht. Schön, daß es dir gutgeht «, flüsterte Dora mit tränenerstickter Stimme. »Ja, mein Schatz. Auf bald. Du meldest dich wieder. Ist gut. Wir denken an dich.« Dora hielt noch eine Weile den Hörer in der Hand. »Sie hat aufgelegt«, erklärte sie, »mein mutiges kleines Mädchen!«
*
Die Vorbereitungen für das große Dorffest waren voll im Gange. Jeder Einwohner, egal ob alt oder jung, leistete seinen Beitrag, so gut er konnte. Die Mädchen übten unter Carmens fachkundiger Regie mittelalterliche Tänze ein. Jene, die nähen konnten oder das gerne wollten, stichelten an den historischen Kostümen, die Frauen ließen die Backrohre nicht mehr auskühlen, und die Straßen und Plätze des Ortes waren seit Menschengedenken noch nie so sauber blankgefegt worden. Die ältesten Bewohner beschränkten ihre Mithilfe darauf, den jüngeren heiße Tips und kluge Ratschläge zu geben und zogen es vor, malerisch unter den alten, gebeugten Bäumen zu sitzen und sich über die Vergangenheit zu unterhalten. Es war eine Freude, zuzusehen, wie das Ortsbild sich langsam veränderte. Das fand auch Alain, dem die Aufgabe zufiel — er hatte sich selbst angetragen — , all diese unterschiedlichen Aktivitäten zu koordinieren und die eifrige Meute bei der Stange zu halten. Fabiola ließ ihre guten Beziehungen spielen und schaffte es auch, ein ganzes Fernsehteam — zur Abwechslung ein richtiges — herbeizuholen. Die stiefelten nun in
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