Geheimcode F
ist...«
Alain reichte Fabiola die Hand. »Vorsicht, hier geht’s steil weiter«, warnte er unnötigerweise. Die Signora kannte die Höhle mittlerweile genausogut wie er. Geschickt kletterte sie den Abhang hinunter. Weit und breit keine Spur von Rica oder dem Schwein.
»Ich glaube nicht, daß sie hier ist. Wäre mir als Versteck zu ungemütlich«, überlegte Fabiola. »Ich würde mir ein schöneres Plätzchen suchen.« Ihr forschender Blick traf Alain, der unschlüssig von einem Fuß auf den anderen trat. »Du hast mir nicht vielleicht noch was zu sagen?« fragte Fabiola direkt. Alain schüttelte den Kopf. Er sah fast trotzig aus, wie ein kleiner Junge, dem man auf die Schliche gekommen war. »Nein, wieso?« Fabiola nickte: »Das dachte ich mir! Du hast ihr sehr weh getan, weißt du?« Alain zuckte lässig die Schultern. »Das soll wohl heißen, du hast dir dabei nichts gedacht, hm?« bohrte Fabiola weiter. »Gut, oder besser, gar nicht gut. Gehen wir, hier ist sie nicht!« Die beiden machten kehrt und gingen zum Auto zurück. »Überleg mal, wenn du abhaust, wohin gehst du? Zu einem Freund? Hat sie nicht. Also zu einer Freundin? Entfällt auch. Und noch dazu mit einem Schwein als Begleitung. Auffälliger geht’s ja schon gar nicht mehr...« Fabiola ließ nicht locker. Alain sah sie fragend an. Klar, jetzt drückte ihn plötzlich das Gewissen, und je länger Rica verschwunden blieb, desto mehr würde er leiden. Er war wirklich keine große Hilfe. Ihm waren offenbar alle guten Ideen ausgegangen. »Sie hat nur ganz wenige Möglichkeiten!« — »Aber welche?« Alain hatte die Sprache wiedergefunden. »Weiß ich nicht. Aber mir fällt schon was ein!«
Dora stand seit Minuten wie angewurzelt da und lauschte dem Orgelspiel. Sie liebte dieses Thema, war es nicht von Bach? Mylene flüsterte ihr ins Ohr: »Wir müssen hier lang, Dora! Komm!« Nur widerwillig ließ die sich weiterziehen. Wer spielte hier so zauberhaft auf der kleinen Orgel der winzigen Dorfkirche? »Das ist unser Pfarrer, ein echter Virtuose auf seinem Instrument!«
»Hier habe ich mich als Kind versteckt«, erzählte Mylene und deutete auf den Beichtstuhl. »Ich bin oft weggelaufen, aber immer nur bis hierher.«
»Wie ich meine Rica kenne, macht die keine halben Sachen! Sie tut nur so cool, aber in Wirklichkeit ist sie furchtbar sensibel. Hoffentlich macht sie nicht noch eine größere Dummheit!« Dora spürte die Tränen hochsteigen. »Weißt du«, sagte sie mehr zu sich selbst als zu Mylene, »sie ist doch immer noch mein kleines Mädchen... und wenn sie Sorgen hat... kann sie doch zu mir kommen...« Mylene legte tröstend ihren Arm um Doras Schulter. »Ich weiß, aber manchmal ist der direkteste Weg auch der schwierigste!«
»Also gut, ich hab’s mir überlegt, ich helfe dir!« erklärte Anastasia nach einer langen Gedankenpause. »Aber nur 24 Stunden. Bis dahin mußt du dich telefonisch melden! 24 Stunden Vorsprung, dann sag ich, wo du bist!« Rica nickte dankbar. Jetzt griff die Alte nach dem Telefon. Sie schüttelte noch einmal den Kopf und wählte eine Nummer. Um nichts in der Welt hätte sie das Mädchen jetzt allein ins Ungewisse ziehen lassen. 24 Stunden waren eine akzeptable Frist. Eine längere Durststrecke war den armen Hinterbliebenen auch nicht zuzumuten!
»Ja, hallo? Ich bin’s, die Gräfin. Gib mir doch bitte mal Jean! Ja?« Anastasia lächelte in den Hörer hinein. »Hör zu, ich hab da ein Problem. Ein Mädchen aus Deutschland, ja, ein reizendes Kind, sie hat gerade beschlossen, erwachsen zu werden. Erraten. Ich hab mit ihr eine Stunde geredet, hilft alles nichts, sie will weg... Sie will ans Mittelmeer. Hat dort auch eine Freundin. Ja. Nun hör mal zu, wie ich mir das gedacht habe...« Sie wandte Rica den Rücken zu und sprach so schnell und leise, daß Rica ihr nicht mehr folgen konnte. Dann legte Anastasia den Hörer auf und meinte zufrieden: »Ich habe eine Schiffspassage für dich!« Sie erschrak beinahe beim Anblick Marie-Antoinettes. »Ach du lieber Himmel, das Schwein hätte ich beinahe vergessen. Das kommt natürlich auch mit!«
Die Landschaft zog im Schneckentempo vorbei. Es war ein heißer, sonniger Tag. Hier auf dem Boot, mitten auf dem Fluß, sorgte ein stetiges Lüftchen für angenehme Kühlung. Rica fühlte sich herrlich frei. Aus ihrer verzweifelten Flucht war ein wunderschönes Abenteuer geworden, das sie die Landschaft und ihre Situation mit völlig anderen Augen sehen ließ. Marie-Antoinette hatte es sich
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