Geheimcode F
sie: Eigentlich war doch alles ganz gut gelaufen, bisher. Sie hatte es ohne gröbere Schwierigkeiten bis zum Meer geschafft. Der große Schmerz war verflogen. Das ging komischerweise ganz schnell in diesem südlichen Klima.
Rica winkte noch kurz, als das Boot, das ihr in den letzten Tagen zur Heimat geworden war, wieder ablegte. Der schwarze Matrose winkte zurück. Es war eine schöne Fahrt gewesen, und Rica hatte viel von diesem Teil Frankreichs gesehen. Reisen bildet, dachte sie schmunzelnd und betrat die Telefonzelle.
»Hallo? Madame Duffy? Ja, ich bin’s, Rica. Ist Mama in der Nähe?« Vom anderen Ende hörte sie schnelle Schritte und ein freudiges: »Mein Mädchen! Hallo? Rica! Wo bist du?« Das war Mama. Und sie klang wesentlich entspannter als beim letzten Mal.
»Ich bin schon in Sète . Ja, es geht mir gut. Alles in bester Ordnung!«
»Wie bist du dorthin gekommen...?« — »Na, wie schon, mit dem Schiff. Wie soll man sonst mit einem Schwein reisen?«
Jetzt mischte sich eine männliche zu Doras mütterlich besorgter Stimme. »He, ich bin’s, Opa. Na sag mal, uns bei Nacht und Nebel hier sitzenzulassen! Du weißt doch, du solltest das Fest moderieren. Also wirklich, ich bin enttäuscht. Das hat mir einen richtigen Stich ins Herz gegeben«, beklagte sich Opa. Rica spürte den besagten Stich gleich am eigenen Körper. Enttäuschen wollte sie eigentlich keinen, aber... In ihre kurze Betroffenheit mischte sich wieder Wut: »Ach, was weißt denn du...!« — »‘ne Menge, Kind, eine ganze Menge«, gab Opa zurück. »Ist ja gut, Kind, paß auf dich auf und laß uns nicht zu lange auf deinen nächsten Anruf warten, ja?« Rica nickte. Opa war im Prinzip schon ganz in Ordnung.
»Okay, Opa, verspreche ich. Ich mach’s auch nie wieder. Tschüß!« Sie hängte ein. Gut. Das wäre erledigt, die Familie beruhigt und das eigene Gewissen, das sie immer wieder ein bißchen drückte, auch. Jetzt hieß es, den verrückten Philosophen zu finden. Die Universität. In dem Telegramm stand ja ganz deutlich, daß er einen Gastvortrag halten sollte. Rica sah sich um. Sie kannte sich hier überhaupt nicht aus. Wie denn auch... »Entschuldigung«, stotterte sie auf Französisch, »wo geht’s denn hier zur Universität?« Der junge Mann, den sie angesprochen hatte, lächelte freundlich und deutete Richtung Altstadt. Rica bekam vor Stolz auf ihr Schulfranzösisch hektische rote Flecken auf den Wangen. Zum Glück war sie von der Schiffsreise so braun gebrannt, daß man das bißchen Rot glatt übersehen konnte. » Merci !« murmelte sie glücklich. »Marie-Antoinette, dein Meister ruft!« Es war höchste Zeit, das Tierchen loszuwerden, denn ein Schwein am Hals ist schlimmer als jeder Klotz am Bein! »Komm, wir gehen Herrchen suchen!« So, als hätte sie verstanden, was Rica gerade gesagt hatte, legte Marie-Antoinette plötzlich ein Höllentempo vor. Und sie schien auch genau zu wissen, wohin es ging. Rica lachte. Das Tier war auch zu komisch. Und irgendwie hatte sie sich auch schon an seine Gesellschaft gewöhnt, ja, es würde ihr sicher fehlen. Marie-Antoinette grunzte fröhlich. »Los, wir gehen zur Universität!«
Tobias, Françoise und Fabiola sahen noch einmal die Fotos durch. Jede einzelne Aufnahme mußte doch reichen, den General für seine schäbigen Machenschaften genauso hinter Gitter zu bringen, wie er es mit seinen hilflosen Opfern getan hatte. Zahllose Kisten, Käfige, ja sogar einen kleinen Zwinger, vollgepfercht mit lebendiger »Ware«, konnte man da sehen. Unglückliche Kreaturen, die dazu verdammt waren, für irgendwelche Tierversuche oder Schlimmeres verschachert zu werden. Gestohlen, vermißt, mißbraucht aus reiner Habgier! Der Anblick reichte, um die drei betroffen und wütend werden zu lassen. Wieder einmal. Fabiola seufzte.
»Ich hoffe nur, die Rechtslage in Frankreich läßt diese Fotos als Beweise zu«, meinte sie nachdenklich. Sie hatte in den verschiedensten Ländern schlechte Erfahrungen in dieser Beziehung gemacht. Noch immer wurden Tiere wie Dinge behandelt, und Tierquäler — dazu mußte man diese Diebe und Schacherer zählen — kamen meist mit einem blauen Auge davon! »Gut, gehen wir damit zu Polizei!« Tobias und Françoise sprangen auf. »Und machen wir den alten Mistkerl fertig!« riefen sie einhellig.
Auf der Wachstube herrschte reges Getümmel. Sie wurden zum diensthabenden Offizier gebracht.
»Diese Herrschaften sind hier wegen der Causa Pouillac !« erklärte der Polizist, der sie
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