Geheimcode Makaze
Nachrichtendienste und Politiker werden sich gänzlich auf Japan konzentrieren, während wir gleichzeitig über unsere Regierung den Abzug sämtlicher US-Truppen von der koreanischen Halbinsel innerhalb von dreißig Tagen verlangen werden. Ihre geistlosen Medien werden sich über die Opfer der Epidemie ereifern und so damit beschäftigt sein, die Schuldigen in Japan ausfindig zu machen, dass der Abzug des amerikanischen Militärs für sie nur von geringem Nachrichtenwert ist, bis wir vollendete Tatsachen geschaffen haben.«
»Letzten Endes werden die Nachrichtendienste die Tarnung mit der Roten Armee durchschauen und feststellen, dass Sie und Ihre kommunistischen Genossen im Norden hinter den Anschlägen stecken.«
»Mag sein. Aber wie lange wird das dauern? Wie lange hat es gedauert, bis Ihre Behörden 2001 die Anthrax-Anschläge in Ihrer Hauptstadt aufklären konnten? Wenn und falls der Tag kommen sollte, werden sich die Gemüter wieder beruhigt haben. Es wird eine rein akademische Frage sein, wie man bei Ihnen sagt.«
»Millionen Menschen umzubringen, ist für Sie eine rein akademische Angelegenheit?«, warf Summer ein. »Sie sind ja wahnsinnig.«
»Wie viele von meinen Landsleuten hat Ihr Land in den fünfziger Jahren getötet?«, entgegnete Kang mit wütendem Blick.
»Auch wir haben viele Opfer für Ihr Land gebracht«, erwiderte Summer und funkelte Kang an.
Dirk blickte über den Tisch hinweg zu Tongju, der Summer mit zusammengekniffenen Augen musterte. Der Killer war es offenbar nicht gewohnt, dass jemand in derart herausforderndem Ton mit Kang sprach, erst recht nicht eine Frau. Seine Miene war nach wie vor ausdruckslos, aber der Blick verriet seinen ganzen Unmut.
»Übersehen Sie dabei nicht Ihre geschäftlichen Interessen?«, sagte Dirk in versöhnlicherem Tonfall zu Kang. »Ihre Profite werden nicht mehr weiter steigen, wenn die allmächtige Arbeiterpartei die Zügel in die Hand nimmt.«
Kang lächelte leicht. »Ihr Amerikaner seid Kapitalisten durch und durch. Sei’s drum, ich habe Vorsorge dafür getragen, dass die Hälfte meiner Anteile von einem französischen Konzern aufgekauft wird. Die Bezahlung erfolgt in Schweizer Franken. Und außerdem: Wer wäre besser dafür geeignet als ich, die staatliche Kontrolle über die südkoreanische Industrie zu übernehmen, wenn mein Heimatland wieder vereint ist«, sagte er mit arrogantem Tonfall.
»Ein sauberes Arrangement«, erwiderte Dirk. »Nur schade, dass kein Land bereit sein wird, die unrechtmäßig erworbenen Güter eines totalitären Regimes zu kaufen.«
»Sie vergessen China, Mr. Pitt. Für sich schon ein riesiger Markt, aber auch ein uns freundlich gesonnener Nachbar, über den man Waren auf den Weltmarkt schleusen kann. Natürlich wird es im Zuge des Machtwechsels zu wirtschaftlichen Einbrüchen kommen, aber die Produktion wird sich rasch davon erholen. Kostengünstige Qualitätsprodukte sind stets gefragt.«
»Klar«, sagte Dirk spöttisch. »Nennen Sie mir ein Qualitätsprodukt, das aus einem kommunistischen Land stammt. Ob Sie es einsehen oder nicht, Kang, aber in dieser neuen Weltordnung stehen Sie auf verlorenem Posten. Heutzutage ist kein Platz mehr für wirrköpfige Despoten, die wegen ihres eigenen Wohlergehens, aus militärischen Machtgelüsten oder schierem Größenwahn ihre eigenen Landsleute ausbeuten. Sie und Ihre Genossen im Norden haben vielleicht eine Zeit lang Ihren Spaß, aber letzten Endes werden Sie von einer Ihnen völlig fremden politischen Idee weggefegt werden, die sich ›Freiheit‹ nennt.«
Kang saß einen Moment lang wie erstarrt da, während seine Miene zusehends finsterer wurde. »Danke für diesen Staatsbürgerunterricht. Es war ein höchst erhellendes Mahl. Leben Sie wohl, Miss Pitt, leben Sie wohl, Mr. Pitt«, sagte er mit eisigem Tonfall.
Auf einen kurzen Seitenblick von Kang hin griffen die Wachmänner ein und zerrten sie auf die Beine. Dirk überlegte kurz, ob er sich ein Messer vom Tisch schnappen und auf die Wachen losgehen sollte, ließ es aber sein, als er sah, dass Tongju eine Glock auf seine Brust gerichtet hatte.
»Bringt sie in die Flusshöhle«, befahl Kang.
»Danke für die Gastfreundschaft«, murmelte Dirk Kang zu. »Ich hoffe doch, ich kann mich eines Tages dafür revanchieren.«
Kang sagte nichts, sondern nickte nur den Wachmännern zu, die die beiden gewaltsam zum Aufzug drängten. Dirk und Summer warfen sich einen wissenden Blick zu. Die Zeit wurde allmählich knapp. Wenn sie mit dem
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