Geheimcode Makaze
Baupläne der
Odyssey
studiert hatte, war er nach wie vor von den gewaltigen Ausmaßen des Hauptdecks überwältigt, das länger als ein Fußballplatz war. Im hinteren Teil ragte der Startturm auf, durch das weite, offene Deck vom Hangar getrennt, in dem die Rakete lagerte. An der abgeschrägten Steuerbordseite waren die mächtigen Brennstofftanks montiert, aus denen die Rakete kurz vor dem Start betankt wurde. Zu beiden Seiten des Hangars standen zwei kleinere Gebäude, in denen sich die Unterkünfte für die Besatzung, die Messe und die Krankenstation befanden. Das war ihr erstes Ziel.
Wie einstudiert, rückte das Enterkommando gleichzeitig vor – fünf Mann zum Hangar, drei zur Brücke, der Rest zu den Mannschaftsunterkünften. Da ein Großteil der zweiundvierzigköpfigen Besatzung der
Odyssey
kaum beschäftigt war, bis die Plattform die Abschussstelle erreichte, vertrieben sie sich die Zeit mit Lesen und Kartenspielen oder sahen sich Filme an. Um drei Uhr morgens war nur noch eine Hand voll Männer wach, hauptsächlich Matrosen, die mit dem laufenden Betrieb beschäftigt waren, aber auch ein paar Techniker, die die Rakete überwachten. Als das Enterkommando die Mannschaftsunterkünfte stürmte, waren die Seeleute, Techniker und Ingenieure viel zu verdutzt, um reagieren zu können. Grelle Lichter und grobe Stöße mit den Mündungen der AK-74 rissen die Männer aus dem Schlaf; anschließend wurden sie mit den Sturmgewehren in Schach gehalten. Zwei Männer, die in der Messe Karten spielten, dachten zunächst, es handle sich um eine Art Äquatortaufe, bis einer mit dem Gewehrkolben zu Boden geschlagen wurde. Der erschreckte Chefkoch ließ beim Anblick der Bewaffneten einen Stapel Pfannen fallen und weckte damit weitere Besatzungsmitglieder.
Im Hangar sah es nicht anders aus. Im Nu stürmte der kleine Kampftrupp das klimatisierte Gebäude, in dem die Zenit-Rakete lagerte, und trieb eine Hand voll Ingenieure zusammen, bevor sie Widerstand leisten konnten. Die beiden Männer, die auf der Brücke hoch über dem Hangar Wache schoben, trauten ihren Augen kaum, als Tongju hereinkam und seine Glock auf das Ohr des Offiziers vom Dienst richtete. In knapp zehn Minuten hatten Tongjus Männer die ganze Plattform in ihre Gewalt gebracht, ohne dass ein Schuss gefallen war.
Überrascht stellten die Angreifer fest, dass ein Großteil der Seeleute Filipinos waren, die Raketenspezialisten hingegen sowohl Amerikaner als auch Russen und Ukrainer. Die multinationale Crew wurde in die Messe getrieben und mit Sturmgewehren in Schach gehalten, desgleichen Kapitän Hennessey, der sichtlich unter Schock stand, nachdem er von einem der Männer überwältigt und gefesselt worden war. Verschont wurden nur die von Kang eingeschleusten Besatzungsmitglieder und Satellitentechniker, die Steuerung und Betrieb der schwimmenden Abschussrampe übernahmen.
Von der Brücke aus meldete sich Tongju über Funk bei der
Koguryo
und teilte mit, dass die Plattform ohne Widerstand eingenommen worden war. Nachdem er kurz eine Seekarte studiert hatte, die auf einem Tisch ausgebreitet war, wandte er sich an den Rudergänger, einen von Kangs Männern.
»Gehen Sie auf fünfzehn Grad Nordnordost. Wir laufen eine andere Startposition an.«
Als die Morgendämmerung anbrach, schob sich die
Koguryo
neben die durch anderthalb Meter hohe Wogen in Richtung Norden stampfende
Odyssey
und drosselte ihre Fahrt. Kapitän Lee lotste sein Schiff bis auf fünf Meter an die
Odyssey
heran und hielt es dann genau parallel zu deren Steuerbordseite. Ein nervöser Rudergänger auf der Brücke der
Odyssey
überzeugte sich davon, dass der Autopilot eingeschaltet war, als der ehemalige Kabelleger längsseits ging.
Tongju verfolgte vom Hangardach aus, wie ein großer Drehkran ausgebracht wurde. Einen Moment lang pendelte der schwere Haken wie wild hin und her, bevor er zum Achterdeck der
Koguryo
herabgelassen wurde. Als über Schiffsfunk durchgegeben wurde, dass alles klar sei, hievte der Kran einen viereckigen, etwa sofagroßen Metallcontainer auf das Hauptdeck der Plattform. In ihm befanden sich Spezialbehälter mit den gefriergetrockneten Chimärenkulturen, die in die Sprühvorrichtung eingebaut werden sollten, die so genannte Nutzlast der Rakete.
Während die tödlichen Viren an Bord der
Odyssey
gebracht wurden, setzten über ein Dutzend Raketen- und Satellitentechniker mit der Barkasse der
Koguryo
über, begaben sich unverzüglich in den Hangar und montierten die Verkleidung des
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