Geheimcode Makaze
Ausrichtung der Triebwerke gesteuert. Ling wusste aber, dass in der ersten Startphase keine Regulierung nötig war, bis sich die Rakete im ruhigen Steigflug befand. Dann nahm das automatische Navigationssystem leichte Richtungsanpassungen vor, um die Rakete zu ihrem Ziel zu lenken. Nur ein unbemerktes Ungleichgewicht konnte zu Gegensteuerungsbewegungen beim Start führen.
Ling ging zum Arbeitsplatz des Ingenieurs und warf einen Blick auf dessen Monitor. Ungläubig sperrte er den Mund auf, als er sah, dass die Triebwerke auf maximalem Steuerungsausgleich liefen. Schweigend verfolgte er, wie sie kurz darauf wieder auf Normalschub umschalteten, dann in Gegenrichtung liefen. Kurz darauf fing das Ganze wieder von vorne an. Ling ahnte sofort, was die Ursache war.
»Choi, wie war der Neigungswinkel der Abschussrampe bei der Zündung?«, rief er dem für die Plattform verantwortlichen Ingenieur zu.
Der Ingenieur warf Ling einen betretenen Blick zu. »Fünfzehn Grad«, erwiderte er dann so leise, dass es kaum hörbar war.
»Nein!«, stieß Ling mit rauer Stimme aus und schloss entsetzt die Augen. Im nächsten Moment wurde er kreidebleich und musste sich am Monitor festhalten. Von düsterer Vorahnung heimgesucht, schlug er langsam die Augen wieder auf, starrte auf die Rakete am Monitor und wartete auf die Katastrophe.
Pitt hatte keine Ahnung, was er mit seinem hektischen Bohren bewirkt hatte. Aber mit dem durch die zahllosen Löcher eingedrungenen Wasser wurden die Ballasttankpumpen der
Odyssey
nicht mehr fertig, sodass die hinteren Stützsäulen tiefer sanken. Da aber die Plattform bereits zum Start abgesenkt war, konnte die automatische Trimmung die Schräglage nicht mehr ausgleichen. Daher startete die Zenit nicht wie vorgesehen senkrecht, sondern mit einem Neigungswinkel von fünfzehn Grad, was sofort dazu führte, dass das automatische Leitsystem gegensteuerte. Aufgrund der niedrigen Startgeschwindigkeit zeigte die Korrektur keine Wirkung, daher erteilte der Computer den Befehl zu starkem Gegensteuern. Während die Rakete beschleunigte, erwies sich die Korrektur jedoch als übertrieben, worauf der Navigationscomputer auf Schubausgleich umschaltete. Unter normalen Umständen hätte sich die Rakete mit ein paar wenigen Justierungen von selbst stabilisiert. Doch bei diesem Flug war der Tank der Zenit nur halb voll, sodass der flüssige Brennstoff bei den Kurskorrekturen hin und her schwappen konnte und für ein weiteres Ungleichgewicht sorgte. Das überforderte Leitsystem versuchte vergebens auszugleichen, verschlimmerte die Sache aber nur, worauf die Rakete ins Schlingern geriet.
Fünfhundert Augenpaare verfolgten am Bildschirm, aber auch vom Cockpit eines Luftschiffes und einer öden Felseninsel im Pazifischen Ozean aus, wie sich die Rakete langsam um die eigene Achse drehte. Was mit einer leichten Pendelbewegung beim Start begonnen hatte, wuchs sich zu einem fortwährenden Schlingern und Rollen aus, bis die Rakete kreiselnd und schwankend wie eine ausgeflippte Bauchtänzerin zu den Wolken emporschoss. Wenn Sea Launch für den Start zuständig gewesen wäre, hätte man die Rakete mit einer automatischen Sicherungsschaltung zur Explosion gebracht, sobald sie außer Kontrolle geriet. Doch Kangs Männer hatten den Abbruchbefehl aus der Software gelöscht, sodass die Zenit ihren unsteten Totentanz fortsetzte.
Die Zuschauer trauten ihren Augen kaum, als die mächtige Rakete immer wilder schlingerte, bis sie schließlich auseinander brach und buchstäblich in zwei Stücke zerfiel. Die erste Stufe verglühte augenblicklich in einem gewaltigen Feuerball, der alles in weitem Umkreis verschlang, als die Brennstofftanks explodierten. Trümmer und Einzelteile der Triebwerke, die nicht verglüht waren, regneten auf die See hinab, während sich hoch am Himmel eine Pilzwolke ausbreitete.
Die Spitze und die obere Stufe der Rakete hingegen flogen, eine lange Rauchfahne hinter sich herziehend, zunächst weiter, getrieben vom eigenen Schwung. Doch allmählich neigte sich die Nase nach unten, und in einem eleganten parabelförmigen Bogen hielt die Zenit auf den Ozean zu, wo sie in einer gewaltigen Gischtsäule aufschlug und in tausend Trümmer zerbarst. Als sich über dem Wasser wieder Stille ausbreitete, starrten die Zuschauer sprachlos auf die Rauchfahne, die sich wie ein Regenbogen über den Himmel spannte.
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Ein See-Elefant, der an einem felsigen Strand der Insel Santa Barbara vor sich hingedöst hatte, wachte kurz auf und
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