Geheimcode Misty Hazard (German Edition)
als abzuwarten. Als es spät wurde, suchte er sich ein Zimmer in einem der Motels. Er schlief unruhig und schreckte immer wieder aus Albträumen hoch, in denen er seine Frau Rose in der Gewalt der Soldaten sah. Rose, wie sie vergewaltigt wurde. Rose, wie sie abgeschlachtet wurde. Und Spears stand dabei und konnte nur beobachten, nicht eingreifen.
Um sechs Uhr beschloss er, dass es keinen Zweck hatte weiterzuschlafen, und stand auf. Er verscheuchte eine Kakerlake aus dem Bad und duschte ausgiebig, ehe er sich in einem 7-Eleven ein paar belegte Sandwiches und eine halbe Gallone Milch kaufte. In einem Supermarkt erstand er ein einfaches Handy und kaufte an der Kasse eine Prepaidkarte. Er kehrte zurück ins Motelzimmer, aß die Sandwiches und leerte den Milchkanister zur Hälfte. Anschließend bezahlte er die Rechnung für das Zimmer und nahm ein Taxi nach Pittsburg, der nächstgrößeren Stadt in der Nähe. Auf der Fahrt grübelte er verzweifelt darüber nach, an wen er sich wenden konnte. Das US-Militär erschoss wehrlose Bürger und überfiel eine ganze Stadt. Die Behörden steckten offensichtlich dahinter oder wurden im Unklaren gelassen. Immer wieder tauchte der Impuls auf, sich im nächsten Waffenshop einzudecken und in bester John-Rambo-Manier nach McCune zurückzukehren, um Rose zu befreien.
Spears hatte zwar gedient, aber er war weder Kriegsveteran noch kampferfahren. Seine Ergebnisse am Schießstand konnten sich sehen lassen, allerdings hatte man ihn wegen eines später erkannten Herzklappenfehlers ausgemustert. Seither übte sich Spears im Umgang mit der Nagelpistole für das Bauunternehmen Stanford & Sons . Er überlegte, ob er seinem Boss von der Sache erzählen sollte.
Das ist doch verrückt!
Spears wusste, dass ihm ohne einschlägige Beweise niemand Glauben schenken würde. Weder über den Luftangriff auf den Zug noch über die Invasion McCunes wurde in den Medien berichtet. Wer interessierte sich schon für ein kleines Nest mitten in Kansas im Nirgendwo? Und wer sich doch dafür interessierte, wurde vertröstet oder abgewimmelt. Mit der Prepaidkarte und dem erstandenen Mobiltelefon hatte Spears bereits dreimal versucht, irgendjemanden in McCune zu erreichen. Seine Frau, Ed von der Tankstelle und Nick, den Friedhofsgärtner, der ein paar Hundert Meter außerhalb des Städtchens auf dem McCune Cemetery wohnte. Keiner der Rufe ging durch. Alle landeten bei der Vermittlung von Pittsburg, die mittlerweile eine Bandansage laufen ließ, dass die Telefonverbindungen nach McCune wegen einer vom Blitz getroffenen Überlandleitung vorübergehend ausgefallen waren.
Es hat nicht mal ein Gewitter gegeben , dachte Spears. Vermutlich verkaufte das Militär den Behörden die Raketenexplosionen beim Zugangriff als Gewittersturm.
»Pittsburg, da wären wir, Sir«, sagte der Taxifahrer und warf Spears einen Blick durch den Rückspiegel zu. »Haben Sie sich mittlerweile entschieden, wo ich Sie absetzen darf?«
Er wusste noch immer nicht, wem er trauen konnte, aber die Erinnerung an seine kurze Militärzeit brachte ihn auf den Namen eines früheren Kameraden, der sich um der alten Zeiten willen vor ein paar Wochen bei Spears gemeldet hatte. Sie waren bei der Navy gewesen. Die Chancen standen gut, dass er mit den Soldaten, die in McCune Amerikaner töteten, nichts zu tun hatte.
»Gibt’s hier in der Nähe ein Internetcafé?«, fragte Spears.
»Sicher. Zwei Blocks von hier Doug’s Dogs & Donuts , da können Sie surfen und sich den Wanst vollschlagen.«
»Gute Idee. Dann setzen Sie mich bitte dort ab, Partner.«
»Kein Problem, Sir.«
9:31 Uhr
Für Hotdogs war es zu früh am Morgen, also entschied sich Reno Spears für einen Becher Kaffee nach Art des Hauses und einen gezuckerten Donut, den er allerdings noch nicht angerührt hatte. Das Internetcafé bot neben den kulinarischen Genüssen etwa dreißig Einzelplätze mit PCs und Laptops, über die sich Nutzer ins Internet einloggen konnten. Spears hatte zunächst eine Stunde gebucht. Er wühlte sämtliche Nachrichtenseiten durch, gab bei den Suchanbietern Bing, Yahoo! und Google die Stichworte McCune , Invasion und Militär ein, in der Hoffnung, einen Nachrichtenschnipsel zu finden.
Nichts.
Der Vorfall von gestern Morgen hatte für die restliche Welt nicht stattgefunden. Spears rief die Windows-Live-Adresse auf und loggte sich mit seinen Benutzerdaten in den Hotmail-Account ein. Im Posteingang fand er noch die Mail seines früheren Navy-Kameraden von Anfang
Weitere Kostenlose Bücher