Geheime Depeschen
Assistent Director schließlich. „Kümmern Sie sich darum. Bis Ende diesen Jahres will ich nichts mehr von diesem Schrott im Internet sehen. Und ohne ein weiteres Wort verlies Miller den Raum.
London, 06.12.2010, am Abend
William war pappsatt. Christian und er waren bereits am Hotel angekommen. Viel hatten sie nicht mehr zu besprechen gehabt, ging es doch hauptsächlich um die aktuellsten Vorwürfe gegen ihn im Vergewaltigungsprozess, den man in Schweden gegen ihn angestrengt hatte.
„Die beiden Damen behaupten jetzt, dass sie dich lediglich zu einer Untersuchung wegen einer angeblichen Geschlechtskrankheit zwingen wollen. Die Oberstaatsanwältin wird wahrscheinlich das Verfahren unter dem Vorwurf der Belästigung weiter fortführen.“ Christian schaute ihm in die Augen. „Du hast doch kein Aids und weißt davon, oder?“
William gähnte. „Glaubst du das wirklich?“
Christian war genauso schlau wie zuvor.
Sie verabschiedeten sich vor dem Eingang des Hotels. William ahnte, dass er diese Nacht kaum einschlafen würde. Vorbei am Portier, stieg er die Treppe hinauf, nahm dabei immer zwei Stufen, wie er das schon als Kind gemacht hatte. In seinem Zimmer ließ er sich auf sein Bett fallen und atmete tief durch.
Christian war eine gute Wahl. Er war zwar kein Strafrechtler, dafür aber ein umso besserer Medienanwalt. Die Liste seiner Klienten las sich wie der Kulturalmanach des letzten Jahrhunderts. Vor allem war er ein Menschenrechtler, der sich mit ungeheurem Enthusiasmus für freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit einsetzte. Er mochte von Weitem betrachtet wie der verwöhnte Sohn einer Metzgerdynastie aussehen, doch achtete man auf seine Augen oder Mimik, konnte man seine Leidenschaft und den Glauben an das Gute, das Wahrhaftige erkennen. Man hätte sich ihn allerdings auch als Comedian auf einer Bühne vorstellen können. Trotzdem hatte er als Rechtsverdreher den Ruf, beeindruckend und furchtlos zu sein. Ein guter Anwalt war das eine, das andere, was William jetzt brauchte, war einfach etwas Glück.
Konnten ihm seine letzten Aktivitäten nun zum Verhängnis werden? Er überlegte und versuchte sich zu erinnern, wann er das erste Mal mit dem Gesetz in Berührung gekommen war.
Australien, späte 1980er Jahre
Schon sehr früh hatte William seine ersten Hacker-Erfahrungen mit einem C64 gesammelt. 1987 bekam er das erste Modem und begann, sich mit Computernetzwerken zu beschäftigen, obwohl es das Internet in seiner heutigen Form damals noch gar nicht gab.
Er legte sich den Decknamen „Veritas“ zu und drang in die Systeme des US-Verteidigungsministeriums und des Atomwaffen-Labors von Los Alamos ein. Damals war er der Prototyp eines Teenage-Hackers. Für ihn war das zunächst eher ein Spiel, er wollte ausprobieren, wie weit er mit seinen Programmierkünsten kam.
Doch schon bald wurde das Spiel mit politischen Ambitionen vermischt – William gründete mit zwei anderen Hackern International Underground - eine Vereinigung mit anarchistischer Prägung.
Die drei verbrachten die meiste Zeit vor ihren Commodore-Computern. Hacken war ihre gemeinsame Leidenschaft. Sie sahen es als Herausforderung an, mit Hilfe dieser neuen Technologie den „Großen“ der Welt, die davon wenig verstanden, eins auszuwischen. Der Nervenkitzel, bei diesen Aktivitäten unerkannt zu bleiben, gab ihnen einen zusätzlichen Kick.
Erstmals erwischt hatten sie ihn, als er mit knapp 20 Jahren in den Hauptcomputer der kanadischen Telekommunikationsfirma Cantel eingebrochen war. Seine Freunde, Henry und Mike, hatte er danach geschützt, obwohl sie maßgeblich an der Aktion beteiligt waren.
Henry war der Ruhigste von ihnen. Er stammte aus Großbritannien und war, wie er gern behauptete, weitläufig mit dem Königshaus verwandt. Wahrscheinlicher war, dass er damit seine abstehenden Ohren aufwerten wollte. Jedenfalls kam seine Vita bei einigen Mädchen an, auch wenn er echt hässlich war.
Mike hatte es da einfacher. Er war der kleine, aber smarte Aufreißertyp - weit entfernt von dem klischeehaften Bild, das man gemeinhin von einem Hacker hatte. Seine Schwester war zur damaligen Zeit die allerschärfste Braut. Jeder wollte etwas von ihr und Mike investierte viel Zeit darin, genau das zu verhindern. Das war auch seine ursprüngliche Motivation zum Hacken. Wer ihm körperlich überlegen war, dem machte er über das Netz das Leben schwer.
Die Firewall zu knacken, war ein Kinderspiel gewesen, so hatten die drei schnell Zugriff auf das
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