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Geheime Depeschen

Geheime Depeschen

Titel: Geheime Depeschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Sturm
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System. Cantel hatte über sechzigtausend Angestellte und elftausend Computerzugänge. Deshalb war es relativ einfach unentdeckt zu bleiben, meinten sie. Sie loggten sich vornehmlich nachts ein, da sie überzeugt waren, dass sich um diese Uhrzeit kaum jemand für sie interessierte. William überprüfte die Logfiles, um zu prüfen, was die System Operator zwischenzeitlich getan hatten. Doch etwas war anders. Ein System Administrator war über die versteckten directories der Hackergestolpert.
    „Scheiße!“, rief William. „Scheiße, Scheiße, Scheiße!“
    „Was ist los?“ Henry reagierte relativ gelassen. Solche Ausbrüche waren für einen Hacker völlig normal.
    „Irgendjemand hat uns entdeckt!“ William wurde leicht panisch und klimperte auf der Tastatur wie ein Verrückter. Mike stellte sich leicht gebückt neben ihn und starrte auf den Bildschirm. Er verdrückte gerade einen Schokoriegel und hatte den Mund voll.
    „Schich in ross“, nuschelte er uund versuchte, die Reste des Snacks zügig runter zu schlucken.
    „Was soll ich?“, fragte William verständnislos.
    „Kick ihn raus!“, rief Mike nun deutlicher.
    William rieb sich das Ohr und duckte sich. Mike hatte so gebannt auf den Monitor geschaut, dass er gar nicht bemerkt hatte, wie nah er neben William stand.
    „Und schick ihm ne Fehlermeldung hinterher“, mischte sich Henry ein.
    William beeilte sich, die Vorschläge seiner Freunde umzusetzen. Die Gegenmaßnahmen schienen tatsächlich zu funktionieren. Henry stellte sich auf die andere Seite neben William, und sie beobachteten gebannt, was passieren würde.
    Der Administrator war jedoch nach kurzer Zeit wieder da. Erneut schmissen sie ihn raus, und nun begann ein Katz. und Maus-Spiel. Auf einmal wurde es ruhig. Sie dachten schon, die Schlacht sei geschlagen, als sich der Administrator erneut anmeldete. Dieses Mal konnten sie ihn nicht rauswerfen, das Blatt wendete sich plötzlich gegen sie. Jetzt hatte die Gegenseite die Kontrolle übernommen. Die Verbindungen zum restlichen Netzwerk wurden gekappt, und jemand startete ein Programm, das sämtliche Telefonleitungen prüfte. Es würde nicht mehr lange dauern und sie hatten ihn.
    „Trenn das Modem!“, schrie Mike, doch die Verbindung lies sich nicht unterbrechen.
    Henry sprang zum Modemkabel und zog alle Stecker. William legte den Telefonhörer auf die Gabel. Ihnen war klar, dass man die Signatur noch ganze neunzig Sekunden lang zurückverfolgen konnte. Quälende Sekunden. Sie starrten gebannt aufs Telefon an. Klingelte es und Cantel war am Apparat, waren sie geliefert. Es war so ruhig im Raum, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören. Angespannt warteten sie. Der Sekundenzeiger von Williams Uhr bewegte sich so langsam wie nie zuvor. Dann klingelte es. Die drei Hacker erschraken fürchterlich.
    „Geh ran!“, schrie Mike, der es vor Nervosität nicht mehr aushielt.
    „Wieso ich und wieso überhaupt?“, gab Henry zurück.
    Es klingelte erneut.
    „Weil ich es wissen will, sonst kann ich heute Nacht nicht schlafen. Oder ich kann gleich meine Koffer packen. Vergessen? Das ist meine Wohnung und wenn, dann bin ich dran“, zischte William.
    „Dann solltest du auch dran gehen“, bemerkte Mike.
    Es klingelte zum dritten Mal. William hielt es nicht länger aus. Er hob ab. Er versuchte die Nerven zu behalten und hörte in die Muschel hinein.
    „Hallo?“, rief eine junge Frauenstimme am anderen Ende der Leitung. „Hallo!“
    Sie blieben mucksmäuschenstill.
    „Da ist niemand“, hörten sie die Unbekannte sagen. Dann folgte der erlösende Besetztton.
    „Am Besten, wir lassen zukünftig die Finger von Cantel“, schnaufte Mike, „und vernichten alle Spuren auf unseren Rechnern. Und zwar sofort!“
    Mike und Henry hatten es eilig, an ihre PC`s zu kommen und verabschiedeten sich von William. Der dachte jedoch nicht im Entferntesten daran, es nicht noch einmal bei Cantel zu versuchen. Er fühlte sich durch diesen Administrator mehr als herausgefordert. Das aber entpuppte sich als Fehler.
    Dafür, dass sie ihn später doch noch geschnappt hatten, fiel das Urteil relativ milde aus, William kam noch einmal mit einer Geldstrafe davon.
    Dennoch blieb er überzeugt davon, dass jeder Zugang zu sämtlichen verfügbaren Informationen haben sollte. Die permanente Angst erwischt zu werden, machte ihn jedoch paranoid, er träumte sogar nachts von Polizeirazzien. Im Fall Cantel hatte er mehr Glück als Verstand gehabt.

London, 06.12.2010, Nacht
    Irgendwann

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