Geheime Depeschen
grinsen, als sich die Journalisten und Fotografen auf die Limousine stürzten.
Der Anwalt lenkte den Wagen vor ein mechanisches Eisentor, das sich unmittelbar öffnete. Man hatte sie erwartet. Zügig fuhren sie auf einen Innenhof. William schaute auf die Uhr. Sie hatten noch Zwanzig Minuten Zeit.
Egal, dachte William, bringen wir es hinter uns.
Ein Polizist nahm sie in Empfang und führte sie durch eine Sicherheitsschleuse in das Gebäude. Das Zimmer, zu dem sie mussten, befand sich im Erdgeschoß - ein karg eingerichteter Raum mit einem Tisch und vier Stühlen.
„Setz dich!“ Christian bot ihm einen Stuhl an.
„Ihr Briten seid auch dann noch höflich, wenn man euch eine Knarre an den Kopf hält. Könnten Sie bitte den Lauf etwas höher halten? Blutflecken lassen sich so schlecht aus weißen Hemden entfernen!“
Sie lachten.
„Ich bin gleich zurück, ich hole nur die neuesten Akten.“
Mit diesen Worten verschwand Christian mit dem Polizisten. William blieb allein zurück. Er hasste es, zu warten. Es gab auch keine Zeitschriften oder irgendetwas, womit er sich die Zeit hätte verkürzen können.
Daran hätte ich denken sollen, überlegte er, aber wenigstens habe ich meine Tasche in Christians Kofferraum und das Auschecken im Hotel nicht vergessen. William wusste, wie vergesslich er sein konnte. Es kam durchaus schon einmal vor, dass er sich Flugtickets kaufte und den Flug vergaß. Oder dass er am Flughafen war und seine Tickets zuhause lagen.
Er zählte vor Langeweile die Aktenordner in dem Schrank gegenüber, an dem alle Türen offen standen. Er kam auf Dreihundertneunundsechzig, und es war erst fünf vor Elf. Bei dem Anblick der frei zugänglichen Akten juckte es ihm in den Fingern. Ob er es wagen sollte, in die eine oder andere einen Blick zu werfen? Nur aus reiner Neugier? Er entschied sich dagegen.
Wahrscheinlich wollte man genau das, um ihn doch noch etwas mehr anhängen zu können, mutmaßte er in Gedanken.
Christian kam in den Raum zurück. „Also, mein Lieber, Sie werden dir gleich den Haftbefehl vorlesen und dich anschließend festnehmen. Du kommst erst einmal in U-Haft. Wann sie dich an Schweden ausliefern, ist noch unklar. Ich hoffe nur, dass es nicht zu lange dauert.“
„Mach dir keine Sorgen, Christian, ich werde das aushalten. Du könntest mir aber noch ein paar Sachen besorgen, ich habe mal wieder die Hälfte vergessen.“ William wirkte sehr gefasst. „Ach ja, bevor ich es vergesse: Könntest du beantragen, dass ich einen begrenzten Internetzugang bekomme? Ich bin schließlich in U-Haft, da dürfte das doch möglich sein?“
Das war Williams „Achillesferse“. Ein Leben ohne Zugang zum Netz war für ihn undenkbar, das würde ihm wirklich fehlen in der Zeit, die er im Gefängnis verbringen musste.
„Ich werde sehen, was ich machen kann“, antwortete Christian.
Vier Polizisten betraten den Raum.
„Wir müssen ihnen ja keine Handschellen anlegen, Sie kommen doch freiwillig zu uns, oder?“, fragte der Police Chief Inspector. William nickte.
„Sie müssen die Frage schon beantworten“, betonte der Inspector. William antwortete mit einem klaren „Ja“. Danach wurde ihm der Haftbefehl vorgelesen.
„Wollen Sie hierzu eine Aussage machen?“, wurde er gefragt.
William sagte den Spruch auf, den er mit Christian abgesprochen hatte.
„Haben Sie ihre Sachen dabei? Wir verlegen Sie jetzt in das Pentonville–Gefängnis im Südwesten Londons.“ Der Inspector runzelte die Stirn und blickte zwischen William und Christian hin und her.
„Ich habe alles in meinem Auto“, erwiderte der Anwalt und machte sich mit einem Polizeibeamten, der Williams Tasche durchsuchen musste, auf den Weg.
Der Polizeiwagen der City of London Police stand abfahrbereit im Hof. Die blaugelben Streifen an der Seite erinnerten William an Schweden, er zögerte kurz beim Einsteigen. War das ein Zeichen oder Omen?
Ein Uniformierter schob ihn in den Wagen. Christian winkte ihm nach. Sie hatten vereinbart, dass er ihnen nachfuhr, um sich von den Haftbedingungen ein persönliches Bild vor Ort machen zu können.
Zum Glück begnügten sich die Reporter mit einer Pressekonferenz, die die Polizeibehörde einberief. Die Informationen waren knapp und kurz gehalten, was dem Nachrichtenhunger nicht genügte. Überall kramte man in den Archiven und im Web nach Informationen über sein Leben. Wie damals bei Cantel, schien sich auch hier alles gegen ihn zu wenden.
Nach einer unbequemen Nacht in einer
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