Geheime Lust
und versuchen, es ihm zu erklären. Wenigstens das schuldete sie ihm. Er musste erfahren,
warum
sie sich niemals von Jack würde abwenden können. Sie hatte ihm nie den ganzen Grund genannt, diesen Teil von sich nie preisgegeben.
Würde er es verstehen? Konnte er das überhaupt?
Aber welchen Sinn sollte das haben, nachdem er ihr sowieso nie vertrauen würde?
Als sie ins Gebäude trottete, musterte der Pförtner sie besorgt. Sie winkte ab und stieg in den Aufzug, sehnte sich nur noch nach Wärme und Trockenheit, auch wenn es wahrscheinlich nur für kurze Zeit sein würde.
Es musste einen Weg geben, die Sache mit Jace in Ordnung zu bringen. Er war das Beste, was ihr im Leben je passiert war. Das einzige Gute und Makellose. Sie wollte ihn nicht mit Jacks Problemen belasten. Das hatte er nicht verdient. Er verdiente jemanden ohne die Narben, die sie auf der Seele trug. Jemanden, dem er vollauf vertrauen konnte. Eigentlich konnte sie ihm das Misstrauen, das er in seinem Herzen nährte, nicht einmal verübeln. Bethany wollte sein Vertrauen, wollte, dass er an sie glaubte, aber würde es, nach allem, was er von ihr wusste, nicht fast schon an ein Wunder grenzen, wenn er ihr blind vertraute?
Eine Welle der Traurigkeit schwappte über sie hinweg. Sie wollte nicht mehr die Person sein, die sie so lange gewesen war. Sie wollte jemand sein, der Liebe und Vertrauen verdiente. Sie wollte, dass jemand an sie glaubte. Sie hatte gedacht, Jace könnte ihr all das geben. Aber sie hatte sich geirrt.
Sie schloss die Wohnungstür auf und ging in die Küche, um sich einen heißen Kakao zu machen. Als sie den Küchenschrank öffnete, in dem die Tassen standen, fiel ihr Blick auf die Tablettenflasche, die Jack zurückgelassen hatte. Bethany starrte sie eine Ewigkeit einfach nur an. Dann streckte sie wie in Trance langsam die Hand aus und schloss die Finger um das Plastikbehältnis.
Sie nahm es heraus und stellte es vor sich auf die Arbeitsfläche. Nur eine Pille. Eine einzige. Sie würde die Dinge leichter handhabbar machen und sie an einen wärmeren, glücklicheren Ort befördern. Sie würde ihr ein Gefühl von Wohlbehagen schenken, ihr Selbstvertrauen stärken und ihr den so dringend benötigten Energieschub geben, damit sie Entscheidungen treffen konnte.
Sie würde sie von der grausamen Realität, der sie sich gegenübersah, wegbringen. Und ihr bei ihrer bevorstehenden Unterhaltung mit Jace helfen.
Bevor sie sich eines Besseren besinnen konnte, öffnete sie die Flasche mit zitternden Fingern und schüttelte eine Tablette heraus. Oder sollte sie lieber zwei nehmen? Es war schon eine Weile her. Tatsächlich kam es ihr wie eine Ewigkeit vor, seit sie zuletzt eine geschluckt hatte. Eine würde sie vermutlich benommen machen. Zwei konnten sie ins Koma befördern.
Bethany steckte die zweite zurück in die Flasche, dann warf sie sich die andere in den Mund. Sie nahm ein Glas, ließ Wasser hineinlaufen, führte es an ihre Lippen und füllte ihren Mund mit genügend Flüssigkeit, um die Pille zu schlucken. Dann erstarrte sie.
Oh Gott, oh Gott, was
tat
sie da bloß?
Sie spuckte das Wasser mitsamt der Tablette kraftvoll in die Spüle, bevor sie sich von Schluchzern geschüttelt am Beckenrand festklammerte. Was hätte sie da beinahe getan?
Zornig schnappte sie sich die Flasche, schüttete die Tabletten in den Ausguss und drehte das Wasser auf, um sie wegzuspülen. Sie schleuderte das nun leere Behältnis quer durch die Küche und hörte, wie es dumpf auf den Boden polterte. Dann vergrub sie das Gesicht in den Händen und weinte.
Großer Gott. Sie durfte das nicht tun. Nicht wieder.
Niemals
wieder.
Sie musste hier und jetzt einen Schlussstrich ziehen. Diese Sache tat ihr nicht gut. Wenn es das war, wozu ihre Beziehung mit Jace sie trieb, musste sie sie noch heute beenden. Sie durfte sich das selbst nicht antun. Nicht, nachdem sie so lange so hart an sich gearbeitet hatte, um clean zu werden und sich von der Sucht zu befreien.
Sie mochte nicht viel besitzen, aber wenigstens hatte ihr Leben jetzt einen Wert.
Ohne sich umzuziehen, stürzte sie zur Tür, weil sie wusste, dass sie es Jace jetzt sagen musste, bevor sie den Mut verlor. Sie musste es beenden, ihm mitteilen, dass sie aus dem Apartment ausziehen würde. Sie musste ihn konfrontieren und von Angesicht zu Angesicht Schluss machen.
Bethany würde ihn über ihre weiteren Pläne im Unklaren lassen. Sie würde ihn in seiner Wohnung aufsuchen und ihm sagen, dass sie weg war.
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