Geheime Lust
hinabkullerte.
»Ich hatte es nach langem Kampf überwunden«, flüsterte sie. »Bis heute. Bis ich diese Pillen sah. Dabei hatte ich nicht mal mehr an sie gedacht. Ich habe sie nicht gewollt. Schon nicht mehr, seit ich clean bin. Aber heute, da wollte ich sie mehr als
alles andere
. Es war wie ein Zwang.«
Schaudernd ließ sie den Kopf hängen. Jace schob sanft die Finger unter ihr Kinn und hob es an, damit sie ihm in die Augen sah.
»Baby, du hast es nicht getan«, wiederholte er mit leisem Nachdruck. »Es spielt keine Rolle, was du wolltest, was du dachtest. Du hast sie nicht genommen. Das erfordert Stärke. Du hast dagegen angekämpft und bewiesen, dass die Sucht dich nicht länger in ihren Klauen hält. Siehst du das nicht so?«
Der Hoffnungsschimmer in ihren Augen war so hell, dass es ihn fast zerriss.
»Meinst du wirklich?«
»Ja, das tue ich. Ich will nicht, dass du dich wegen dieser Sache zerfleischst. Und von nun an werde ich da sein, um dich zu unterstützen. Du bist nicht allein, und du wirst auch nie wieder allein sein. Weil du nämlich zu mir ziehst. Ich habe damit gewartet, denn ich wollte dich nicht zu sehr bedrängen. Darum habe ich dich in Mias alter Wohnung untergebracht. Aber das ist jetzt vorbei. Du wirst hier bei mir leben.«
Ihre Augen wurden weit, und sie öffnete den Mund zu einem Protest, doch er versiegelte ihn mit einem Kuss.
»Du bist mein, Bethany. Du gehörst zu mir. Ich gehöre zu dir. Du gehörst hierher. Das ist nicht verhandelbar.«
»Aber Jace …«
Er löste sich von ihr, und seine Miene verdüsterte sich sichtlich. »Wir müssen über Jack reden. Er ist gefährlich für dich, Bethany. Und das werde ich nicht tolerieren. Ich werde nichts tolerieren, was dir Schaden zufügen könnte.«
Ihr Atem ging in winzigen Stößen, und es war offensichtlich, dass sie Mühe hatte, die Tränen zurückzuhalten.
»Ich kann mich nicht einfach von ihm abwenden, Jace. Ich erwarte nicht, dass du das verstehst.«
»Dann bring mich dazu. Nenn mir den Grund. Sag mir, welche Macht er über dich hat.«
Bethany schloss die Augen, und die Tränen, mit denen sie gekämpft hatte, strömten in stillen, silbrigen Bächen über ihre Wangen.
»Jack hat so viel für mich in Kauf genommen. Er hat mich beschützt. Du machst dir keine
Vorstellung
, welche Opfer er für mich gebracht hat.«
Jace fühlte ein Brennen in der Brust, und seine Kehle wurde eng. Er wusste mit Gewissheit, dass ihm das, was sie ihm zu erzählen hatte, nicht gefallen würde, doch er würde sitzen bleiben und es sich anhören, selbst wenn es ihn umbrächte. Hier ging es um Bethanys Vergangenheit, und endlich würde sie sie offenlegen. Sie würde ihm die Geheimnisse, die sie bewahrt hatte, anvertrauen, damit er den tiefen Schmerz in ihren Augen verstehen konnte.
»Jack und ich sind in wechselnden Pflegeeinrichtungen aufgewachsen. Wie du weißt, sind wir nicht blutsverwandt, aber wir stehen uns sehr nahe, darum hat das Jugendamt nach Möglichkeit versucht, uns zusammen unterzubringen, was nicht immer machbar war. Aber sie wussten, dass wir seltener Ärger machten, wenn sie einen Platz für uns beide fanden, darum kamen sie unserem Wunsch, zusammenzubleiben, entgegen, wann immer sie konnten. Wir waren einander die einzige Familie, die wir hatten.«
Bethany machte eine Pause und atmete tief durch, um sich zu fassen.
»Sprich weiter, Baby«, ermutigte Jace sie. »Ich bin ganz Ohr. Nichts kann dich jetzt mehr verletzen.«
»Ich war gerade zwölf und Jack fünfzehn. Er war groß für sein Alter. Heute wirkt er nicht mehr so. Er ist zu dünn, aber wenn er gesund und wohlgenährt ist, ist er ein imposanter Kerl. Groß und breitschultrig. Jedenfalls waren wir zusammen in einer Pflegefamilie, aber der Vater …«
Jace verspannte sich, und seine Nackenhaare stellten sich auf. Er hatte ein ungutes Gefühl dabei, in welche Richtung das Gespräch steuerte.
»Der Vater hat mich immer so komisch angesehen, und das hat Jack beunruhigt. Er ließ mich keine Sekunde mehr aus den Augen und sorgte dafür, dass ich nie allein mit unserem Pflegevater war. Aber wie sich herausstellte, machte es für den Mann keinen Unterschied, ob es ein Mädchen oder ein Junge war.«
Bethanys Gesicht war blass, und sie schauderte vor Abscheu. Ihre Seelenpein strahlte in Wellen von ihr ab. Jace zog sie fest in seine Arme und drehte ihr Gesicht zur Seite, damit sie weitersprechen konnte. Er streichelte ihr Haar und versuchte, ihr so viel Trost wie möglich zu
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