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Geheime Macht

Geheime Macht

Titel: Geheime Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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zerriss unter meinen Fingern. Ich erhaschte einen Blick auf Kate – sie hatte sich zusammengerollt, um sich vor den Zähnen zu schützen.
    Die Sehnen, die ich zerschnitten hatte, fügten sich sofort wieder zusammen. Ich musste schneller schneiden.
    Wir bewegten uns nach oben. Ich blickte hinunter. Der Draugr erhob sich vom Boden.
    »Raphael!«, schrie ich, während ich weiterschnitt. »Er regeneriert sich!« Wo war er?
    Slayers Klinge schnitt durch das Fleisch am Gelenk, wo sich Unter- und Oberkiefer trafen. Das Schwert rauchte. Kate versuchte, sich ins Freie zu kämpfen.
    Der Draugr kaute und bewegte die riesige Zunge, um Kate zwischen seine Zähne zu schieben.
    Fliegen hüllten den Untoten ein, verwandelten sich in Maden und fraßen sein Fleisch. Ich hackte und schnitt, die Maden fraßen, aber je mehr Schaden wir anrichteten, desto schneller wuchs das Fleisch nach.
    Kate stöhnte. Ich musste sie herausholen. Jetzt.
    Ich wurde pelzig. Fetzen meiner Kleidung flatterten zu Boden. Ich nahm einen kurzen Anlauf über die knochige Schulter des Draugr und trat gegen das Kiefergelenk. Der Knochen brach mit einem trockenen Knacken, das Anzeichen für einen ausgerenkten Kiefer. Der Mund des Draugr klappte auf, und Kate fiel heraus.
    Eine gewaltige Hand wischte mich von der Schulter und quetschte mich zusammen. Ich knurrte und biss. Der Druck machte mir zu schaffen. Meine Knochen wimmerten. Er wrang mich wie einen Putzlappen aus, wollte das rote Zeug aus mir herauspressen.
    Benzingeruch schlug mir entgegen.
    Die Qual war jetzt unerträglich. Meine Augen tränten vor Schmerz und Wut.
    Der Draugr drückte noch fester zu.
    Meine Schulter gab nach, und ich schrie, als mein Arm wie ein Zahnstocher zerbrach.
    Ein Funke blitzte auf, durch meine Tränen sah ich Flammen auflodern. Raphael kletterte mit wutverzerrter Miene knapp außer Reichweite des Feuers an dem Draugr hinauf. Er sprang, arbeitete sich mit den Krallen über das Gesicht der Kreatur vor und riss ein untotes Auge aus der linken Höhle.
    Der Draugr brüllte und ließ mich fallen. Er schlug sich ins Gesicht, um Raphael zu erwischen.
    Ich stürzte. Ich fiel, bis mich plötzlich etwas auffing. Ich sah Ascanios Gesicht. Er stellte mich auf die Beine. Neben mir stand Roman mit gestikulierenden Händen. Sein Stab kreischte.
    Der Draugr über uns war eine Flammensäule.
    Eine pelzige Gestalt sprang vom Draugr, landete in einem Baum und ließ sich zu Boden fallen. Ja! Weiter, Raphael!
    Der Draugr brüllte und drehte sich zu uns herum.
    Roman straffte sich.
    Der Untote machte einen Schritt in unsere Richtung. Dann noch einen.
    »Er verbrennt nicht ganz«, schrie Roman. »Ich kann ihn nicht aufhalten.«
    Die Flammen hüllten den Körper des Untoten ein, aber sein Fleisch wurde davon nicht versengt. Verdammt! Wieso konnte er nicht einfach sterben?
    Romans Füße glitten zurück. Raphael landete neben ihm.
    Kate rappelte sich auf. »Was könnten wir tun?«
    »Wir müssen ihn zerteilen und begraben. Er gehört zur Erde. Die Erde wird ihn festhalten.«
    »Ich kann ihn zerteilen, wenn du ihn für eine Sekunde verankerst«, stieß Kate hervor. »Aber das ist meine letzte Reserve. Danach habe ich keine Magie mehr übrig.«
    Der Draugr trat einen weiteren Schritt vor.
    Roman beugte sich nach hinten. Er verdrehte die Augen. Von dunklem Rauch umhüllte Ketten schossen aus dem Boden und legten sich um die Füße und Handgelenke des Draugr.
    Kate öffnete den Mund und sagte ein Wort. Die Magie brach in einer Flutwelle aus ihr heraus und krachte in den Draugr. Sie berührte mich kaum, doch die Panik schwappte zu mir herüber. Meine Fellhaare sträubten sich, und mir entfuhr ein hysterisches Hyänenlachen, wie ein Echo von Raphaels irrem Gelächter und Ascanios hellem Gekicher.
    Der Draugr wich mit einem Ruck zurück, wollte wegrennen. Die Ketten wurden straff gespannt, und sein Körper fiel auseinander wie ein Spielzeug, dessen Nähte sich aufgelöst hatten.
    Hinter mir stürzte Kate zu Boden. Roman schluchzte einmal und ging neben ihr nieder. Jetzt waren wir drei an der Reihe.
    Wir rannten los. Ich packte einen riesigen Arm und zerrte ihn mit aller Kraft in den Wald, fort vom Pfad. Ich riss die Erde auf, warf Wurzeln zur Seite und schnitt mir die pelzigen Finger an scharfen Steinen auf. In meinen Armen breitete sich stechender Schmerz aus. Ich achtete nicht darauf. Ich grub und grub, warf Fontänen aus Dreck empor, bis ich endlich den Teil des Arms in das Loch stieß und mit Erde bedeckte.

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