Geheime Macht
liebevoll.«
Das war auch ein Hund. »Ich bin mir sicher, dass deine Mutter von euch beiden begeistert ist.«
In Raphaels Gesicht zuckte ein Muskel. Au weia, ich hatte einen wunden Punkt getroffen. Tante B, seine Mutter und Chefin des Bouda-Clans, war eine Legende. Boudas waren wild, und sie beherrschte ihre Schützlinge mit süßem Lächeln und scharfen Krallen. Tante B musste nur einen Blick auf Rebecca werfen, und sie würde einen Schlaganfall bekommen.
Raphaels Stirn legte sich in Falten. »Die Einwilligung meiner Mutter ist nicht notwendig.«
Aha. »Weiß sie das?«
Ascanio näherte sich mit einem Tablett, auf dem ein Kaffeebecher, eine Zuckerdose und eine Tasse mit Sahne standen.
»Sie ist eine schreckliche Frau«, sagte Rebecca.
Ascanio blieb wie angewurzelt stehen.
Ich starrte Raphael an. Willst du ihr das durchgehen lassen? Wirklich? Tante B war seine Mutter, aber sie war gleichzeitig seine Alpha, und Ascanio war ein Mitglied des Clans.
Raphael beugte sich zu Rebecca vor. Seine Stimme klang vertraulich, aber sie war fest wie in Samt gehüllter Stahl. »Schatz, du solltest in der Öffentlichkeit niemals meine Mutter beleidigen.«
»Sie beleidigt mich. Und du tust nichts dagegen.«
Ascanio konzentrierte sich auf Raphael und wartete auf ein Stichwort. Tante B beherrschte den Clan, aber Raphael war der männliche Alpha.
Raphael bedachte Rebecca mit einem warnenden Blick, der allerdings keinerlei Wirkung zeigte.
»Sie ist grob und gehässig …«
Ascanio nahm die Zuckerdose und entleerte sie über Rebeccas Kopf. Das weiße Pulver rieselte über ihr Haar und ihr Kleid.
Sie keuchte und sprang vom Stuhl auf.
»Oh, nein!« Ich riss erschrocken die Augen auf. »Das tut mir so leid. Jugendliche sind furchtbar tollpatschig.«
»Raf!«
Raf? Was war er, ihr Pudel?
»Warum gehst du nicht nach draußen und wartest im Auto auf mich?«, schlug Raphael vor.
»Aber …«
»Geh zum Auto, Rebecca.«
Schmollend stapfte sie aus dem Büro. Raphaels Augen funkelten in einem tiefen Rubinrot. Er sah Ascanio an, als würde er überlegen, was er mit ihm machen sollte. Der Junge duckte sich und sagte nichts, während er den Blick auf den Boden gerichtet hielt.
Ascanio war ein talentierter junger Gestaltwandler, aber ich hatte an Raphaels Seite gekämpft. Er konnte durch ein Zimmer voller Ascanios gehen, und Sekunden später wäre von ihnen keiner mehr am Leben.
»Ascanio.« Ich legte so viel unterschwellige Drohung in das Wort, dass der Junge erstarrte. »Sah es danach aus, dass dein Alpha Hilfe benötigt?«
»Nein, Ma’am«, antwortete Ascanio knapp.
»Geh nach draußen und warte, bis ich dich wieder hereinhole.«
Ascanio öffnete den Mund.
»Nach draußen. Hinter das Haus. Sprich nicht mit Rebecca.«
Er presste die Lippen zusammen und entfernte sich. Wenig später hörte ich, wie die Hintertür zufiel.
Raphael hatte mein Herz gründlich zertrümmert, und nun schmerzten die winzigen Scherben. Während der ganzen Zeit, die wir zusammen gewesen waren, hatte er nie von einer Verlobung gesprochen. Und nun hatte er eine hübsche, hohlköpfige Idiotin gefunden, und er wollte sie heiraten. Warum sie? Was gab sie ihm, was ich ihm nicht hatte geben können?
Die Antwort wurde mir schlagartig und schmerzhaft bewusst. Sie war für ihn da. Ich nicht. Ich hatte ihn ausgeschlossen. Ich dachte, er würde warten, bis ich mich wieder sortiert hatte. Es war ganz allein meine Schuld.
Ich beugte mich vor. »Bist du high?«, fragte ich mit fester Stimme.
»Was?«
»Hast du etwas geraucht, bevor dir in den Sinn gekommen ist, es könnte eine gute Idee sein, zu mir zu kommen und mit ihr anzugeben? Hast du vielleicht irgendwelche seltsamen Pilze gegessen?«
Er lächelte mich an. Es war ein strahlendes Raphael-Lächeln, scharf wie die Schneiden seiner Messer.
»Du weißt, dass ich sie töten könnte, bevor du mich daran hindern kannst.«
»Die Gefahr besteht nicht«, sagte er. »Das würde bedeuten, dass du dich wie ein Gestaltwandler verhältst, und wir alle wissen, dass das nicht passieren wird.«
Autsch. »Ich scheine unter partiellem Gedächtnisverlust zu leiden. Ich erinnere mich nicht, dass du so grausam sein kannst.«
»Menschen ändern sich«, sagte er. »Hat du erwartet, dass alle anderen mit ihrem Leben innehalten, während du dich auf deinem Mitleidstrip befindest? Sollte ich herumsitzen und wie ein guter Junge abwarten, bis es dir wieder besser geht?«
Es tat so sehr weh, dass ich allmählich taub wurde. »Ich
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