Geheime Macht
ein Gebäude ausschlachten kann, muss man der Stadtverwaltung beweisen …«
»… dass man qualifiziert ist, es sicher zu entsorgen«, ergänzte ich. »Ich erinnere mich.« Ich hatte Raphael einmal begleitet, als er einen Genehmigungsantrag stellte. »Würdest du Anapa einen Mord zutrauen?«
»Ja. Aber ich glaube nicht, dass er meine Leute töten würde. Dazu fehlt ihm die Motivation. Ich war dabei, als er bei der Auktion den Kürzeren zog. Er warf einen Blick auf die Papiere, die sein Assistent ihm unter die Nase hielt. Dann winkte er ab und sagte: ›Ja, ja. C’est la vie. ‹ Und bevor er ging, lud er mich noch zu seiner Geburtstagsparty ein.«
Interessant. »Und der dritte Bieter?«
»Garcia Construction. Ich kenne die Garcias schon sehr lange. Sie waren bereits seit zehn Jahren im Geschäft, als ich anfing. Es ist ein Familienunternehmen. Sie haben fast nur mittelgroße Recyclingaktionen übernommen und wurden erst vor zwei Jahren etwas ehrgeiziger, als Ellis die Firma von seinem Vater übernahm. Sie sind sehr schnell sehr groß geworden, zu schnell, und haben die Rechte an einem riesigen Apartmentkomplex erworben.« Wieder verzog Raphael das Gesicht. »Es war ein Monstergebäude. Ich hätte es nicht gemacht.«
»Zu teuer?«
»Ja, aber nicht der Kaufpreis für das Gebäude, sondern die Durchführung der Arbeiten. Es ist so eingestürzt, dass man zuerst tonnenweise Schutt wegräumen muss, bevor man irgendetwas Brauchbares findet. Zu viele Mannstunden. Ellis legte im Mai vor zwei Jahren los, und letzten Februar gruben sich die Garcias immer noch durch die Trümmer, als ein Teil des Ganzen einstürzte. Sieben Arbeiter wurden getötet. Anscheinend hatte Ellis seine gesamten Ressourcen in dieses Projekt gesteckt und bei den Versicherungen gespart. Die Versicherungsgesellschaften hassen uns. Die Prämien sind exorbitant hoch. Doch die Garcias haben das Richtige getan und die Versicherungssummen trotzdem an die Familien der Toten ausgezahlt, aus eigener Tasche. Danach war die Firma erledigt.«
»Und wie konnten sie es sich leisten, für das Blue Heron mitzubieten?«, fragte ich.
»Es heißt, dass sie einen großen Investor gefunden haben. Das war ihr Versuch, wieder Fuß zu fassen. Es sind anständige, schwer arbeitende Leute, Andrea. Sie würden niemanden ermorden.«
»Aber jemand hat es getan, Raphael. Was ist mit dem Verkäufer?«
»Die Stadt Atlanta.«
Das war auf jeden Fall eine Fehlanzeige. »Wusstest du vom Tresorraum?«
»Nein.« Seine Miene verdüsterte sich. »Rianna, eine der Wachen, hat erst vor drei Monaten ein Baby bekommen«, sagte er. »Es war ihr zweiter Arbeitstag nach dem Mutterschaftsurlaub. Nick ist ihr Mann. Du erinnerst dich an Nick Moreau?«
»Nick, der Zimmermann? Der unsere, nein, Entschuldigung, der deine Küche renoviert hat?«
Raphael nickte. »Ja.«
Ich erinnerte mich an Nick. Er hatte Witze gerissen, während er die Küchenschränke einbaute, und mir ein Foto von seiner Frau gezeigt und gesagt, dass sie die wunderbarste Frau der Welt war. Er hatte auch gesagt, dass sie gerade versuchten, ein Baby zu bekommen, und wenn es ein Junge war, würden sie ihn Rory nennen, und wenn es ein Mädchen war, würden sie es auch Rory nennen.
Raphael hatte erwidert, dass sie das Kind dazu verurteilten, verspottet zu werden, worauf Nick seinen Hammer auf Raphael gerichtet und ihm erklärt hatte, wenn er über die Namen von Babys entscheiden wollte, würde ihm nichts anderes übrig bleiben, als selber welche zu machen.
»Ist es ein Mädchen geworden?«, fragte ich leise. »Das Baby Rory?«
»Es ist ein Junge«, sagte Raphael.
Und jetzt war seine Mutter tot. Ich würde diese Mistkerle erwischen. Und dann würden sie es bitter bereuen.
Ich stand auf. »Das genügt. Danke für deine Zusammenarbeit. Ich werde dich informieren, wenn ich eine Spur habe.« Dieses Gespräch ist beendet. Und jetzt verschwinde ganz schnell aus meinem Büro und meinem Leben.
»Tu das.«
Raphael erhob sich und ging.
Arbeit war das Einzige, das mir noch geblieben war. Alles andere hatte sich in Luft aufgelöst. Ich würde die Mörder finden, und wenn es das Letzte war, was ich tat. Ich musste es tun, um sie daran zu hindern, weitere Morde zu begehen, damit ihre Opfer gerächt und getröstet wurden. Aber in erster Linie musste ich es tun, um mir zu beweisen, dass ich immer noch etwas wert war.
*
Ich holte mir ein Telefonbuch und suchte die Adressen der drei Bieter heraus.
Sein Geruch war immer noch da. Ich
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