Geheime Macht
Teufel ich hingehen möchte.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte Carrie kopfschüttelnd. »Willst du unbedingt Tante B provozieren? Brauchst du ein paar Probleme, weil dein Leben zu nett geworden ist?«
Ich grinste sie an. Seht ihr die Zähne? Schaut genau hin, denn ihr werdet sie aus unmittelbarer Nähe sehen, wenn ihr nicht aufpasst. »Kann ich den Damen irgendwie helfen?«
»Klar«, sagte Carrie. »Du könntest uns erzählen, worum es bei dem Gespräch zwischen Raphael und dir ging.«
»Und warum sollte ich das tun?«
»Weil Tante B es wissen will«, sagte Deb.
Zweifellos hatten sie versucht, uns zu belauschen, aber bevor Kate ihr Büro bezogen hatte, war es vom selben Jim, der mir diesen Auftrag gegeben hatte, umgebaut worden. Ich wusste nicht, was er in die Wände gepackt hatte, aber nun waren sie auch für die Ohren von Gestaltwandlern undurchdringlich.
»Tante B lässt sogar ihren eigenen Sohn beschatten?«, fragte ich.
»Das geht dich nichts an«, sagte Carrie. »Hör mal, wir können uns an Plan A halten, der vorsieht, dass wir nett miteinander plaudern und dann wieder unserer Wege gehen. Oder wir weichen auf Plan B aus, der bedeutet, dass wir uns etwas lebhafter unterhalten und dich eindringlicher davon überzeugen, uns zu sagen, was wir wissen wollen. Tante B wird so oder so bekommen, was sie haben will.«
»Wie wäre es mit Plan C?«, fragte ich.
»Und wie würde dieser Plan aussehen?«, fragte Deb zurück.
»Ihr verpisst euch und lasst mich in Ruhe.« Ein Knurren schlich sich in meine Stimme. »Ihr kommt einfach in mein Revier und glaubt, mich herumschubsen zu können? Na gut. Schubst nur. Dann werden wir sehen, was euch das einbringt.«
Deb blinzelte.
»Du verdammtes, dummes Miststück«, knurrte Carrie. »Wenn du eine Lektion möchtest, kann ich dir eine erteilen.«
Carries Körper zerfloss und nahm eine neue Gestalt an: halb menschlich, halb tierisch, in dünnes sandfarbenes Fell gehüllt. Dicke Muskelstränge umschlossen ihren Hals und stützten ihren runden Kopf mit den riesigen Kiefern und einem Dschungel aus Zähnen, von denen Geifer tropfte. Mehr Muskeln wölbten sich zwischen ihren Schulterblättern und bildeten einen Buckel. Enorme Bizepse verstärkten ihre Arme, unter deren pelziger Haut die Venen anschwollen. Ihre Füße und Hände waren mit langen Krallen ausgestattet, die Fleisch zerreißen konnten, wie ein Messer durch eine reife Frucht schnitt. Carrie sah aus wie etwas aus einem Albtraum. Sofern man es nicht besser wusste.
Ich trat ein paar Schritte vor, damit ich genug Bewegungsspielraum hatte. Mein pelziges Ich war wohlproportioniert: Meine Gliedmaßen hatten die angemessene Form, meine Kiefer fügten sich zu einer anständigen Schnauze zusammen, und meine Hände und Füße waren zwar überdimensioniert und krallenbewehrt, aber die Finger waren nicht missgebildet. Diese Gestalt aufrechtzuerhalten fiel mir leicht. Carrie jedoch war eine normale Gestaltwandlerin, und ihre Kriegergestalt war eine labile Angelegenheit. Ihre Mega-Bizepse beulten sich auf den überlangen Armen und schränkten ihre Beweglichkeit ein, während an ihren kurzen Beinen kaum genug Fleisch war, um ihren kopflastigen Körper zu tragen. Sie beugte sich vor, weil ihre Wirbelsäule schräg an ihrem Becken ansetzte, was bedeutete, dass ich nicht mit wirksamen Fußtritten von ihr rechnen musste. Sie war nicht auf Kampf spezialisiert, also würde sie genauso wie jeder andere zivile Gestaltwandler angreifen: mit Krallen und Zähnen, ohne Raffinesse. Was völlig ausreichte, um die meisten Menschen in Stücke zu reißen.
Neben ihr hob Deb die Arme. Sie war nicht in Kriegergestalt, aber eine gute Boxerin.
Carries Augen starrten mich an und schimmerten in rubinrotem Licht. Sie war gute hundert Pfund schwerer als ich. Sie glaubte, der Kampf wäre bereits entschieden.
In meinem Kopf spottete Michelles piepsige Stimme aus den Tiefen meiner Erinnerungen: » Schlag sie noch einmal, Candy. Gib es diesem verfluchten Tierabkömmling. Sie hat es verdient. «
Nie wieder.
Carrie griff an. Sie rannte los und stürzte sich auf mich, ließ den rechten Arm diagonal heruntersausen, um meinen Brustkorb aufzuschlitzen. Ich beugte mich zurück. Ihre Krallen schnitten durch die Luft, vielleicht zwei Zentimeter von meiner Haut entfernt. Ich packte ihr Handgelenk, zog den schweren Arm gerade und knallte ihr meine Hinterhand gegen den Ellbogen. Der Knorpel knirschte, das Gelenk wurde ausgekugelt, und der Arm bog sich im falschen
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