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Geheime Macht

Geheime Macht

Titel: Geheime Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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anderen von vielen Kräuterwirkstoffen gegen Läuse und kämmt dann das Ungeziefer heraus. Deine Unwissenheit ist erschütternd. Manchmal frage ich mich, wie du bis zum Alter von sechzehn Jahren überleben konntest. Es würde mich wirklich interessieren: Hast du die meiste Zeit in Luftpolsterfolie zugebracht?«
    Dieses Mädchen klang von Tag zu Tag mehr und mehr wie Kate.
    »Ich hatte keine Ahnung, dass du so gut über Läuse Bescheid weißt«, gab Ascanio zurück. »Sprichst du aus Erfahrung?«
    »Ja, sicher. Ich habe ein Jahr lang auf der Straße gelebt. Sag mir noch mal, wo du gelebt hast.« Julie tippte mit einem Finger gegen ihre Lippen, als würde sie angestrengt nachdenken. »Ach ja, du hast in einer religiösen Kommune gelebt, beschützt und verhätschelt, wo du deine Zeit damit zugebracht hast, alles zu vögeln, was sich bewegt …«
    Jetzt reichte es. »Ruhe!«, bellte ich.
    Zwei Münder schlossen sich mit hörbarem Geräusch.
    Ich sah mir den Scheck an. Es war ein Firmenscheck von »Gloria’s Art and Antiques«. Antiquitäten. Warum sollte eine Antiquitätenhändlerin eine Recyclingfirma besuchen? Vielleicht weil sie wusste, dass die Firma für ein Gebäude geboten hatte, in dem sich eine Schatzkammer voller Antiquitäten befand? Recyclingfirmen handelten nicht mit Antiquitäten. Ihnen ging es um Metalle und Stein. In einem eingestürzten Gebäude überlebte kaum etwas anderes.
    »Hier ist die Adresse.« Ascanio reichte mir einen Zettel. »Ich habe sie herausgesucht.«
    »Danke. Sehr nett von dir.« Ich sah mir die Adresse an. White Street, in Julies alter Wohngegend. Genau am Rand von Warren, einem ärmeren Teil von Atlanta, wo sich Bettler, Gangs obdachloser Kinder und Kleinkriminelle häuslich eingerichtet hatten. Die meisten von ihnen würden gar nicht wissen, was das Wort »Antiquitäten« bedeutete, und erst recht keine kaufen wollen. Dieser Fall wurde immer seltsamer.
    »Bitte, lass mich hier nicht mit ihr allein«, murmelte Ascanio.
    Ich sah ihn an. »Hat Kate dir gesagt, dass du hier bleiben sollst?«
    »Ja.«
    »Dann bleib hier. Beschäftige dich mit deinem Epos, bring diese Sache in Ordnung, und beim nächsten Mal nehme ich dich wieder mit.«
    Ich drehte mich um und ging einfach, bevor er die Gelegenheit bekam, mich weiter anzuflehen.
    *
    Die White Street erhielt ihren Namen, als sie durch einen unnatürlichen Schneefall einen halben Meter hoch mit blütenweißem Pulver bedeckt wurde. Ein paar Jahre lang weigerte sich der Schnee zu schmelzen, und die meisten Bewohner hatten beschlossen, dass Vorsicht besser als Nachsicht war. Wenn die Magie einer Straße in der Lage war, mitten im glühend heißen Sommer von Atlanta einen halben Meter Schnee zu konservieren, konnte niemand sagen, wozu sie sonst noch imstande war. Als der Schnee dann endlich schmolz, waren die meisten Leute, die hier gewohnt hatten, längst geflüchtet. Als ich über das zerbröckelnde Pflaster fuhr, starrten mich die verlassenen Häuser aus den dunklen Rechtecken leerer Fenster an wie die schwarzen Augenhöhlen eines Totenschädels. Wäre ich kein erfahrenes ehemaliges Mitglied einer Strafverfolgungsbehörde gewesen, hätte ich zugegeben, dass es mir hier zu unheimlich war, worauf ich meinen Wagen gewendet hätte und wie ein kleines Mädchen schreiend zurückgefahren wäre.
    Gloria’s Art and Antiques war in einem großen kastenförmigen Gebäude untergebracht. Die Fassade war eine typische zweistöckige Angelegenheit, aber das Ganze erstreckte sich von der Straße aus über einen gesamten Block. Genug Platz für ein Lagerhaus voller Antiquitäten. Oder eine kleine Herde Panzer. Oder bösartige magische Elefanten …
    Ich überprüfte meine SIG Sauers und probierte die Tür. Unverschlossen. Ich ließ sie aufschwingen. Als ich eintrat, ertönte mit silbrigem Klang eine kleine Glocke. Vor mir lag ein schmaler Raum, der von zwei gläsernen Tresen eingerahmt wurde. Der Boden bestand aus poliertem Holz, die Wände waren in Silbergrau gehalten. Es war das genaue Gegenteil einer Antiquität.
    Es roch nach Jasmin, aber nicht nach dem gereinigten Duft des Parfüms, sondern nach echtem Jasmin: dunkel, leicht narkotisch, mit einem Hauch Indol. Darin lag etwas Uraltes und Wildes, das mir durch und durch ging.
    Ich ging zum Tresen auf der rechten Seite hinüber und musterte den Inhalt der Glasvitrine. Ein Vergrößerungsglas mit kunstvoll gearbeitetem Metallgriff. Ein Spielzeugauto aus Metall mit verblasster, teilweise abgeblätterter

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