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Geheime Melodie

Geheime Melodie

Titel: Geheime Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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lachend.
    »Ich habe ihm gesagt, daß ich seinen neuen Vater kennengelernt habe, und er freut sich sehr.«
    Manchmal bin ich zu englisch f ür sie, zu indirekt und zurückhaltend. Manchmal ist sie unerreichbar, eine afrikanische Frau im Exil, vereinnahmt von ihren Erinnerungen. Nach dem Einbruch in die Norfolk Mansions hätte ich am liebsten sofort meine Sachen gepackt, mir ein neues Versteck gesucht und in einem anderen Teil der Stadt von vorn angefangen. Hannah war anderer Ansicht. Sie meinte, wenn der Sturm erst einmal losbrach, w ürden wir uns durch einen plötzlichen Umzug eher verdächtig machen. Besser, wir blieben an Ort und Stelle und verhielten uns möglichst normal. Ich beugte mich ihrem Urteil, und wir gönnten uns ein gemütliches Frühstück mit den anderen Gästen, statt uns wie flüchtige Verbrecher auf unserem Zimmer zu verkriechen. Hinterher scheuchte Hannah mich nach oben, um unter vier Augen mit Mr. Hakim reden zu können, einem kleinen Pfau von einem Mann, der für weibliche Reize durchaus empfänglich war.
    »Was hast du ihm erzählt?« fragte ich sie, als sie lachend hereinkam.
    »Die Wahrheit, Salvo. Nichts als die Wahrheit. Nur nicht die ganze.«
    Ich bestand auf einer ausf ührlichen Beichte. Auf Englisch.
    »Ich habe ihm gesagt, daß wir ein durchgebranntes Liebespaar sind. Unsere wütende Verwandtschaft ist hinter uns her und verbreitet Lügen über uns. Entweder er beschützt uns, oder wir müssen uns eine andere Pension suchen.«
    »Und was meinte er dazu?«
    »Daß wir mindestens noch einen Monat bleiben können und er uns unter Einsatz seines Lebens beschützen wird.«
    »Und das können wir ihm glauben?«
    »Aber ja. Wenn du von deinem Judaslohn noch fünfzig Pfund drauflegst, verteidigt er uns wie ein Lö we. Dann kam seine Frau herein und sagte, sie w ürde uns gratis verteidigen. Wenn ihr jemand Schutz angeboten hätte, als sie noch jung war, hätte sie Mr. Hakim niemals geheiratet. Was beide sehr komisch fanden.«
    Wir besprachen das heikle Kommunikationsproblem, das, wie ich aus dem Chatroom wu ßte, die Achillesferse eines jeden Geheimagenten war. In Mr. Hakims Reich gab es keinen öffentlichen Fernsprecher. Das einzige Haustelefon befand sich in der Küche. Mein Handy sei eine Todesfalle, ließ ich Hannah an meinem Insiderwissen teilhaben. Beim heutigen Stand der Technik könne man über ein eingeschaltetes Handy in Sekundenschnelle meinen Aufenthaltsort feststellen, ganz egal, in welchem Winkel des Planeten ich mich befand. Ich habe es selbst erlebt, Hannah, ich habe davon profitiert, wenn du wüßtest, was ich auf meinen Eintagesschulungen alles zu hören bekomme. Ich redete mich derart in Fahrt, daß ich mir sogar einen kleinen Exkurs über die Kunst gestattete, mit einer Rakete den Funkstrahl eines Handys anzupeilen und den Nutzer auf diese Weise zu enthaupten.
    »Aber mein Handy fliegt dir nicht um die Ohren«, gab sie zurück und kramte einen regenbogenfarbenen Apparat aus den Untiefen ihrer Tragetasche hervor.
    Mit einem Schlag war unsere geheime Verbindung hergestellt. Ich w ürde ihr Handy benutzen und sie sich das von Grace leihen. Falls ich Hannah in der Kirche anrufen mußte, konnte ich sie über Grace erreichen.
    »Und nach der Kirche?« fragte ich. »Wenn du dich auf die Pirsch nach Baptiste begibst, wie finde ich dich dann?«
    An ihrer verschlossenen Miene sah ich, da ß sich wieder die kulturelle Kluft zwischen uns aufgetan hatte. Hannah war vielleicht unbewandert in den dunklen Künsten des Chatrooms, aber was wußte Salvo schon von der kongolesischen Gemeinde in London oder von den Schlupfwinkeln ihrer Wortführer?
    »Baptiste ist erst vor einer Woche aus den Vereinigten Staaten zurückgekommen. Er hat eine neue Adresse und vielleicht auch einen neuen Namen. Ich muß zuerst mit Louis reden.«
    Denn Louis, so erfuhr ich, war Baptistes inoffizieller Stellvertreter im Europab üro des Pfades der Mitte. Er war außerdem ein enger Freund von Salomé, einer Freundin von Baptistes Schwester Rose, die in Brüssel wohnte. Doch da Louis momentan untergetaucht war, hing alles davon ab, ob Rose schon wieder von der Hochzeit ihres Neffen in Kinshasa zurück war. Wenn nicht, könne sie sich möglicherweise bei Roses Geliebtem Bien-Aimé erkundigen, aber nur, wenn Bien-Aimés Frau nicht in der Stadt war.
    Ich gab mich geschlagen.
    * * *
    Ich bin allein, auf mich gestellt bis heute abend. Um zu sehen, ob ich irgendwelche Nachrichten auf der Mailbox habe, mu ß ich mich

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