Geheime Melodie
gebildet hatte, durch den ersten persönlichen Eindruck mehr als bestätigt wurde. Die klaren Gesichtszüge, das energische Kinn und die fliegende Mähne spiegelten genau jene visionäre Entschlossenheit wider, die ich von jeher mit ihm assoziierte. Hatte ich ihn nicht oft genug bejubelt, wenn er den Westen für seine Gleichgültigkeit gegenüber Afrika ins Gebet nahm? Wenn Männer wie Maxie und Lord Brinkley sich für ein hochgeheimes prokongolesisches Unternehmen engagierten – Seite an Seite, so wie sie jetzt auch auf mich zukamen –, durfte ich mich wahrlich geehrt fühlen, meinen kleinen Beitrag dazu leisten zu dürfen!
Meine Wertsch ätzung für Lord Brinkley hatte auch einen persönlichen Grund, und dieser Grund hieß Penelope. Respektvoll am Rand des Geschehens postiert, dachte ich zurück an das rekordverdächtige Schmerzensgeld, das Sir Jack, wie er damals noch hieß, wegen haltloser Unterstellungen bez üglich seines Finanzgebarens gegen ihre große Tageszeitung erstritten hatte, und an den Schatten, den sein Triumph damals auf unser häusliches Glück warf, denn natürlich mußte Penelope halsstarrig die unverletzliche Freiheit der Presse verteidigen, jeden mit Dreck zu bewerfen, der sich gerade anbot, während Salvo ebenso halsstarrig für Sir Jack Partei ergriff, aus Anerkennung für dessen aufrichtige Sympathie für Afrika und die Afrikaner, und für seine Entschlossenheit, den Kontinent vom dreifachen Fluch der Ausbeutung, Korruption und Krankheit zu befreien, um ihm dadurch die wirtschaftliche Geltung zu verschaffen, die ihm gebührte.
So gro ß war meine Entrüstung gewesen, daß ich Lord Brinkley hinter Penelopes Rücken in einem privaten, vertraulichen Brief meine Unterstützung bekundete, auf den er mir freundlich zurückschrieb. Und dieses Gefühl der persönlichen Verbundenheit – gemischt wohl auch mit einer Prise Besitzerstolz des loyalen Anhängers – war es, was mir nun doch den Mut verlieh, hervorzutreten aus meinem Schatten und ihn direkt anzusprechen, von Mann zu Mann.
»Entschuldigen Sie bitte, Sir« – immerhin hatte ich daran gedacht, daß dies eine anonyme Operation war, weshalb ich ihn bewußt nicht, wie ich es sonst sicher getan hätte, mit »Lord Brinkley«, »Mylord« oder »Eure Lordschaft« anredete.
Mit einem Ruck blieb er stehen, Maxie ebenso. Sie schienen sich nicht ganz schl üssig, welchen Sir ich meinte, darum baute ich mich gezielt vor Lord Brinkley auf. Anders als Maxie, der sich mit einem Ur teil über meine Dreistigkeit sichtlich zurückhielt, lächelte er mich freundlich an. Bei meiner Hautfarbe wird man von einer bestimmten Sorte Mitmensch typischerweise mit einem Doppellächeln bedacht: zuerst dem automatischen, dann dem übertriebenen des weißen Liberalen. Aber Lord Brinkleys Lächeln war ein spontaner, unmittelbarer Ausdruck des Wohlwollens.
»Ich wollte Ihnen nur sagen, daß ich sehr stolz bin, Sir«, sagte ich.
Um ein Haar h ätte ich noch hinzugefügt, daß Hannah ebenso stolz gewesen wäre, wenn sie eine Ahnung gehabt hätte, aber ich beherrschte mich.
»Stolz? Worauf stolz, mein junger Freund?«
»Daß ich mit an Bord bin, Sir. Daß ich für Sie arbeiten darf, in welcher Form auch immer. Mein Name ist Sinclair, Sir. Der Dolmetscher, den Mr. Anderson geschickt hat. Französisch, Swahili, Lingala und kleinere afrikanische Sprachen.«
Das freundliche L ächeln blieb ungetrübt.
»Anderson?« Er schien sein Gedächtnis zu durchforsten. »Sagt mir nichts. Tut mir leid. Wahrscheinlich ein Freund von Maxie.«
Das überraschte mich, denn natürlich war ich davon ausgegangen, den Jack vor mir zu haben, mit dem Mr. Anderson telefoniert hatte – offensichtlich zu Unrecht. Lord Brinkley reckte sein edles Löwenhaupt; in einem der Zimmer mußte jemand nach ihm gerufen haben, auch wenn ich nichts gehört hatte.
»Bin gleich bei Ihnen, Marcel. Konferenzschaltung um Mitternacht, da will ich euch drei dabeihaben, für den letzten Feinschliff. Nicht da ß dieser Mistkerl Tabby es in letzter Minute noch mal spannend macht.«
Er eilte davon. Maxie betrachtete mich mit leisem Spott. Aber ich hatte nur Augen f ür Brinkley, der die drei Afrikaner elegant in seine Arme zog: ein Meister der Überzeugungskraft, ganz gleich in welcher Sprache, das sah ich ihren strahlenden Mienen an.
»Alles in Ordnung, alter Junge?« fragte Maxie, und seine Bogey-Augen blickten leicht belustigt dabei.
»Schon, Sir. Ich frage mich nur, ob ich nicht etwas anmaßend war.«
Worauf
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