Geheime Melodie
Maxie in dr öhnendes Gelächter ausbrach und mir mit seiner kugelsicheren Pranke auf die Schulter schlug.
»Sie waren einmalig. Haben ihm den Schock seines Lebens verpaßt. Haben Sie eine Tasche? Wo ist Ihre Tasche? Vorne? Dann marsch.«
Mit nicht mehr als dem allerfl üchtigsten Nicken für seine illustren Freunde bugsierte er mich durch das Gedränge ins Vestibül, wo mir einer der blonden Knaben bereits die Reisetasche hinhielt. Am Straßenrand parkte ein Van mit schwarzen Scheiben und offenen Türen, auf dem Dach ein rotierendes Blaulicht, hinterm Steuer ein nichtuniformierter Fahrer. Neben dem Wagen ein drahtiger kleiner Mann mit Bürstenschnitt, der schon auf uns wartete, auf dem Rücksitz ein Riese mit grauem Pferdeschwanz und Lederjacke. Der Bürstenschnitt verfrachtete mich zu dem Pferdeschwanz auf die Rückbank, stieg ein und knallte die Tür zu. Maxie schmiß sich auf den Beifahrersitz. Kaum saß er, da kamen auch schon zwei Polizisten auf Motorr ädern aus der Mount Street auf den Platz gebraust, unser Fahrer gab Gas und reihte sich zügig hinter ihnen ein.
Aber einen Blick zur ück über die Schulter warf ich doch noch – meine Standardreaktion, wenn ich unter Druck stehe. Ich soll in die eine Richtung sehen? Prompt sehe ich in die andere! Ich drehte mich um und prägte mir durch das staubig verschmierte Rückfenster das Haus ein, das wir soeben verlassen hatten. Ich sah drei oder vier Stufen, die zu einer dunkelblauen oder vielleicht schwarzen geschlossenen Tür führten. Ich sah zwei große Überwachungskameras in einigem Abstand darüber. Ich sah eine flache georgianische Backsteinfassade mit weiß gestrichenen Schiebefenstern und heruntergelassenen Rollos. Ich sah nach der Hausnummer und fand keine. Dann war das Haus verschwunden – aber man sage mir nicht, es habe nie existiert! Es war da, und ich habe es gesehen. Ich bin durch seine Pforten geschritten, ich habe meinem Helden Jack Brinkley die Hand gegeben und ihm, laut Maxie, den Schock seines Lebens verpaßt.
* * *
Kam Salvo, unser Agentennovize, nicht fast um vor Angst, als er in halsbrecherischem Tempo durch den z ähen Freitagabendverkehr des terrorgeplagten London chauffiert wurde, in Begleitung von Männern, die er nicht kannte, Gefahren entgegen, von denen er noch keinerlei Begriff hatte? Ganz und gar nicht. Er zog aus, um seinen Auftraggebern zu dienen, Gutes zu tun für sein Land, den Kongo, f ür Mr. Anderson und Hannah. Bei welcher Gelegenheit mir unsere Nachbarin Paula einfällt, Penelopes Vertraute und, wenn man mich fragt, eine Wölfin im Schafspelz, die an einem kanadischen Provinzcollege Psychologie studiert hat und in Ermangelung zahlender Patienten ihre Künste an jedem ausprobiert, der unvorsichtig genug ist, sich in ihre Nähe zu verirren – weshalb sie mich, nachdem sie sich eine gute halbe Flasche von meinem Rioja genehmigt hatte, einmal davon in Kenntnis setzte, daß es mir, von meinen anderen Unzulänglichkeiten ganz zu schweigen, an Raubtierinstinkt gebreche.
Wir sa ßen zu fünft in dem Van, der vom Berkeley Square aus in Richtung Westen davonfuhr, in rasender Fahrt immer dicht hinter unserer Polizeieskorte, in Busspuren, über rote Ampeln, auf der falschen Seite um Verkehrsinseln herum, doch die Stimmung im Wagen war so entspannt wie bei einer sonntäglichen Bootspartie. Der Zivilfahrer, dessen Silhouette sich gegen die Windschutzscheibe abhob, schaltete so geschmeidig von einem Gang in den anderen, daß er sich kaum zu bewegen schien. Neben ihm lümmelte sich Maxie in seinem Sitz, nicht angeschnallt. Den geöffneten Gasmaskenbehälter auf dem Schoß, konsultierte er beim Schein der Innenbeleuchtung ein angeschimmeltes Notizbuch und gab per Handy lässig eine Reihe von Anweisungen durch:
»Wo steckt Sven? Der soll seinen Arsch in Bewegung setzen und heute abend in den Flieger steigen. Bis Ende der Woche muß er sechzig Mann zusammengetrommelt haben, marschbereit. Wenn er sie von Kap stadt aus mit einer Chartermaschine rauffliegen mu ß, Pech gehabt. Und vor allem topfit, Harry. Alte Haudegen, aber noch nicht mit einem Fuß im Grab, kapiert? Spitzengage, voller Versicherungsschutz. Was willst du noch? Gratisnutten?«
Unterdessen machte ich mich mit meinen beiden ungleichen Gef ährten bekannt. Der graue Pferdeschwanz zu meiner Rechten hieß Benny, wie er mir sagte, während er mir zur Begrüßung fast die Hand brach; er hatte den feisten Körper und das narbige Gesicht eines abgehalfterten Boxers. Ein weißer
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