Geheime Melodie
interessante Details festgestellt hatte. Am linken Handgelenk trug er eine Taucheruhr, am anderen ein goldenes Gliederarmband. Die rechte Hand sah aus, als ob an ihr Kugeln abprallen k önnten. Die Lippen einer Frau streiften meine Schläfe, und im ersten Moment bildete ich mir ein, es sei Hannah. Aber es war Bridget, die sich mit einem Küßchen verabschiedete. Ich weiß nicht, wie lange ich danach noch wartete. Oder auf welche Gedanken ich mich länger als zwei Sekunden konzentrieren konnte. Natürlich beschäftigten mich mein neuer Anführer und der Inhalt unseres kurzen Gesprächs. Bembe, wiederholte ich ein paarmal im stillen. Wenn ich an Bembe denke, muß ich lächeln. Immer schon. Es war die Sprache, in der wir Missionsschüler uns anschrien, draußen im roten Matsch, wenn wir im str ömenden Regen Spritzfußball spielten.
Ich kann mich auch noch erinnern, da ß ich mir leid tat, weil Maxie und Bridget mich gleichzeitig im Stich gelassen hatten, und einen ganz trüben Moment gab es, in dem ich mich sogar auf Penelopes Empfang zurückwünschte, worauf ich aufsprang, um Hannah anzurufen, koste es, was es wolle. Ich ging auch wirklich die Treppe hinunter – sie hatte ein auf Hochglanz poliertes Messinggeländer, das ich mit meinen verschwitzten Händen kaum anfassen mochte – und nahm gerade allen Mut zusammen, um mich unter den Augen des grauhaarigen Türstehers bis zum Vestibül vorzuwagen, als sich wie in Zeitlupe die Flügeltür des Konferenzraums öffnete und die Teilnehmer in Zweier- und Dreiergrüppchen heraustraten, bis etwa sechzehn in der Halle versammelt waren.
* * *
Ab hier bewege ich mich auf d ünnem Eis. Wer sich jäh von einer Vielzahl teils prominenter Gesichter umringt sieht, macht unwillkürlich seine geistigen Schnappschüsse, und er ordnet ihnen Namen zu. Aber sind es auch die richtigen Namen? Von den zehn bis elf Weißen kann ich hier und heute zwei als hochrangige Wirtschaftsbosse aus der Londoner City identifizieren, einen dritten als ehemaligen Spindoctor aus der Downing Street, der seitdem unter die unabhängigen Berater gegangen ist, einen vierten, einen Mittsiebziger, als Finanzhai, der für seine Verdienste in den Ritter stand erhoben wurde, sowie einen f ünften als einen ewigjungen Popstar und Intimus der jüngeren Royals, über den Penelopes große Tageszeitung erst vor kurzem in Zusammenhang mit einem Drogen- und Sexskandal berichtet hatte. Die Gesichter dieser fünf Männer haben sich mir unauslöschlich eingeprägt. Ich erkannte sie sofort, als sie durch die Tür traten. Sie kamen miteinander heraus und blieben beieinander stehen, keine drei Schritte von mir entfernt, so daß ich Fetzen ihres Gesprächs mitbekam.
Von den zwei Indern kannte ich keinen, habe aber seitdem den lauteren der beiden als den Gr ünder eines milliardenschweren Textilimperiums mit Sitz in Manchester und Madras identifiziert. Der einzige der drei Schwarzafrikaner, dem ich einen Namen hätte geben können, war der ins Exil verbannte ehemalige Finanzminister einer westafrikanischen Republik, die ich in Anbetracht meiner derzeitigen Lebensumstände lieber nicht näher benennen möchte. Wie seine beiden Begleiter schien er entspannt und verwestlicht in Kleidung und Auftreten.
Delegierte, die aus einer Konferenz kommen, sind nach meiner Erfahrung in einer von zwei Gem ütsverfassungen: verärgert oder aufgekratzt. Diese Männer waren aufgekratzt, aber auch kampflustig. Sie hatten große Hoffnungen, aber auch Feinde. Ein solcher Feind war Tabby, dessen Namen der betagte Finanzhai nur knurrend über die faltigen Lippen brachte. Tabby sei ein aalglattes Arschloch, sogar nach den Maßstäben seiner Branche, erklärte er seinen indischen Zuhörern; er würde ihn mit dem größten Vergnügen bei passen der Gelegenheit in die Pfanne hauen. Mit diesen fl üchtigen Einblicken allerdings war es schlagartig vorbei, als aus dem Konferenzraum zwei Nachzügler kamen, Maxie und neben ihm, ebenso groß wie er, aber eleganter in Garderobe und Haltung, der Besitzer der Stimme, die zu mir gesprochen hatte, während ich auf der Treppe wartete: Lord Brinkley of the Sands, Kunstliebhaber, Unternehmer, Gesellschaftslöwe, ehemaliger Minister unter New Labour und – für mich persönlich schon immer sein größtes Plus – langjähriger Verfechter und Vertreter afrikanischer Interessen.
Und ich kann nur sagen, da ß die hohe Meinung, die ich mir durch das Fernsehen und mein liebstes Medium, das Radio, über Lord Brinkley
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