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Geheime Melodie

Geheime Melodie

Titel: Geheime Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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Rhodesier, hätte ich der Stimme nach gesagt. Der Bürstenschnitt zu meiner Linken war nur halb so groß wie Benny und ein waschechter Cockney, auch wenn er sich Anton nannte. Er trug ein besseres Sportsakko als ich, eine Gabardinehose mit scharfer Bügelfalte und braune Schuhe mit blankgewienerten Kappen. Welchen Respekt mir gut geputzte Schuhe einflößen, habe ich bereits erwähnt.
    »Mehr Gepäck haben wir nicht, Chef?« murmelte Anton, nachdem wir uns vorgestellt hatten, und stupste mit der Schuhspitze gegen meine kunstlederne Reisetasche.
    »Mehr haben wir nicht, Anton.«
    »Und was ist da drin?« So wenig, wie er dabei die Lippen auseinandernahm, hätte man aus größerer Entfernung kaum erkennen können, daß er überhaupt etwas sagte.
    »Persönliche Effekten, Wachtmeister«, antwortete ich keck.
    »Und unter persönlich verstehen wir was, Chef?
    Kassettenrecorder? Eine Neun-Millimeter-Automatik? Oder ein ganz pers önliches Spitzenhöschen? Wer will heutzutage schon sagen, was persönlich ist, stimmt’s, Benj?«
    »Ein ewiges Rätsel, der persönliche Aspekt«, pflichtete ihm der Riese zu meiner Rechten bei.
    Maxie lie ß sich derweil bei seinem rasanten Monolog nicht stören:
    »Mir scheißegal, wie spät es ist. Corky hat in seinem ganzen Leben noch nicht geschlafen. Wenn er in fünf Tagen nicht fertig ist, steigt die Party eben ohne ihn. Wie wär’s mit einem Stift, oder hast du den auch noch verloren?«
    Knightsbridge rauschte vorbei, dann Chelsea, wo sich, wie ich erleichtert feststellte, kein Kind an die Ufermauer klammerte. Nachdem die Motorradeskorte eine weitere rote Ampel überfahren hatte, bogen wir nach links ab, in Richtung Süden, was in meinem Kopf eine unkontrollierte Detonation auslöste. Wir fuhren über die Battersea Bridge! Wir waren nur eine gute halbe Meile von Norfolk Mansions 17, Prince of Wales Drive entfernt, von meiner Wo h n u n g , ihrer Wohnung, unserer Wohnung, kamen ihr von Sekunde zu Sekunde näher! Eine idealisierte Vision unseres Ehelebens stieg vor mir auf, ähnlich der, mit der ich Bridget zwangsbeglückt hatte. Links von mir lag unser Park, wo ich in einem der nächsten Jahre mit unserem Kind auf den Rummelplatz hatte gehen wollen! Hinter mir lag unser Fluß! Wie oft waren Penelope und ich nicht nach dem Essen, nach dem Sex, dort auf dem Treidelpfad spazierengegangen? Und da, unser Schlafzimmerfenster! Bei meiner überstürzten Umkleideaktion hatte ich vergessen, das Licht auszumachen!
    Ich ri ß mich am Riemen. Geheimagenten im Dienste der Krone, ob Teilzeit oder Vollzeit, dürfen nicht überreagieren, nicht einmal, wenn sie von einem Donnerkeil getroffen werden. Doch als ich mein Battersea sah, mein Viertel, das mich wie einen verlorenen Sohn willkommen zu heißen schien, überkamen mich die unsinnigen Ängste aller ehebrecherischen Ersttäter: die Angst, mit nichts als einem Koffer vor die Tür gesetzt zu werden, die Angst, die Achtung der wunderbaren Frau zu verwirken, die man, wie man allzu spät erkennt, mehr als jede andere liebt und begehrt, die Angst, seine CD-Sammlung zu verlieren, die so mühsam erklommene unterste Sprosse der Immobilienleiter wieder hinunterzupurzeln und als Namenloser auf der Hampsteader Heide unter einem Busch zu verrecken.
    Wir hatten die Br ücke hinter uns und waren in Rufweite meiner Haustür, als die Polizeieskorte ausscherte und unser Fahrer noch einmal links abbog, eine Rampe hinunter und durch eine offene Toreinfahrt, wo der Wagen mit quietschenden Bremsen zum Stehen kam. Die Türen des Vans flogen auf, und ohrenbetäubender Motorenlärm schlug mir entgegen, ohne daß ich ihn in meiner Verwirrung gleich hätte einordnen können. Im nächsten Moment sah ich, keine dreißig Schritte von uns entfernt, glänzend unter einem Ring aus Natriumlampen, einen silberfarbenen Hubschrauber mit kreisenden Rotorblättern.
    »Wo fliegen wir hin?« rief ich Anton nach, der mit einem Satz auf den Asphalt hinaussprang.
    »Sie haben eine Traumreise gewonnen! London bei Nacht! Raus aus der Karre, aber zackig!«
    Maxie hatte schon drei lange Schritte in Richtung Hubschrauber gemacht und wirbelte nun herum, da ß ihm der Gasmaskenbehälter gegen die Hüfte schlug. Er schob Anton zur Seite und beugte sich zu mir herein.
    »Ist was, alter Junge?«
    »Ich wohne hier, Sir. Die Straße rauf. Keine halbe Meile. Mit meiner Frau. Heute ist ihr großer Abend«, erklärte ich. Vor lauter Aufgewühltheit hatte ich schon wieder vergessen, daß ich ja eigentlich in

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