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Geheime Melodie

Geheime Melodie

Titel: Geheime Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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gepolsterter Sitze hatten wir Eisenkäfige, zum Mittelgang hin offen und mit verdreckten Gefängnismatratzen bestückt. An der Decke hingen Netze aus orangefarbenem Gurtband, und demjenigen, der den Sprung ins Unbekannte wagen mochte, standen Haltegriffe zur Verfügung. Mein einziger Trost waren Anton und Benny, die die Zellen neben mir belegten, aber Benny führte, wie es aussah, sein Haushaltsbuch, und Anton war in ein moribundes Pornoheft vertieft.
    Vor dem Cockpit, f ür manchen das Allerheiligste eines Flugzeugs, spannte sich ein zerschlissenes Absperrband. Die beiden Piloten, mittelalt, übergewichtig und unrasiert, ignorierten ihre Passagiere so geflissentlich, daß man sich fragte, ob sie überhaupt wußten, daß sie welche an Bord hatten. Dazu die blauen L ämpchen der Gangbeleuchtung, die Erinnerungen an ein bestimmtes Nordlondoner Krankenhaus weckten: kaum verwunderlich, daß mein Tatendurst versiegte und meine Gedanken ihren Pendelverkehr zwischen Penelope und Hannah wieder aufnahmen.
    Wenige Minuten nach dem Start waren die M änner allesamt von der afrikanischen Schlafkrankheit niedergestreckt worden, ihre Seesäcke als Kissen unterm Kopf. Nur Maxie und sein französischer Freund nicht. Sie hockten im hinteren Teil der Maschine und schoben sich Papierbögen hin und her, wie ein besorgtes Ehepaar, das ein bedrohliches Schreiben von der Hypothekenbank erhalten hat. Der Franzose, nunmehr ohne seine Baskenmütze, hatte eine Adlernase, stechende Augen und eine kreisrunde, von strohblondem Haar eingefaßte Tonsur. Wie ich dem wortkargen Benny entlockte, hieß er Monsieur Jasper. Ein Franzose, der Jasper hieß? Hatte es das schon mal gegeben? Aber vielleicht reiste ja auch er unter einem Decknamen.
    »Soll ich vielleicht rübergehen und ihnen meine Dienste anbieten?« fragte ich Anton – die beiden mußten doch Verständigungsprobleme haben, dachte ich.
    »Wenn der Skipper Ihre Dienste braucht, sagt er Ihnen schon Bescheid, Chef«, antwortete er, ohne von seinem Pornoheft aufzublicken.
    Von den restlichen Mitgliedern unseres Teams kann ich, bis auf eine Ausnahme, nichts berichten. In meiner Erinnerung verschmelzen sie zu einer Gruppe verbissen dreinblickender Gestalten in ausgebeulten Anoraks und Baseballm ützen, die jedesmal verstummten, wenn ich in ihre Nähe kam.
    »Na, wieder Friede an der Ehefront, alter Junge? Meine Leute nennen mich übrigens Skipper.«
    Ich mu ßte eingedöst sein, denn als ich aufsah, blickte ich aus nächster Nähe in die vergrößerten blauen Augen von Maxie, der in Araber-Manier neben mir in die Hocke gegangen war. Sogleich hellte sich meine Stimmung auf. Hatte ich nicht oft genug Pater Michael gelauscht, wenn er mir von den kriegerischen Heldentaten eines Colonel T. E. Lawrence und anderer großer Engländer erzählte? Wie durch Zauberei verwandelte sich das Innere unseres Flugzeugs in ein arabisches Nomadenzelt. Das Gurtband über uns wurde zum Dach aus Ziegenhaut. In meiner Phantasie blinzelten sogar Wüstensterne daraus hervor.
    »Ehefriede wiederhergestellt, Skipper«, antwortete ich, ebenso schneidig wie er. »Aus der Ecke sind keine weiteren Probleme zu erwarten, Gott sei Dank.«
    »Und Ihr kranker Freund?«
    »Der hat’s leider nicht gepackt«, antwortete ich angemessen salopp.
    »Arme Sau. Aber wer will schon hinter der Herde hertraben, wenn seine Zeit abgelaufen ist? Kennen Sie sich mit Napoleon aus?«
    »Nicht besonders.« Ich wollte nicht gern zugeben, daß ich in meinen historischen Studien erst bei Cromwell, Our Chief of Men angelangt war.
    »Spätestens bei Borodino war er im Eimer. Schlafgewandelt in Smolensk, plemplem in Borodino, mit vierzig total hinüber. Konnte nicht mehr pissen, konn te nicht mehr geradeaus denken. Das hei ßt, mir bleiben noch drei Jahre. Ihnen?«
    »Ah, zwölf«, sagte ich. Schon erstaunlich, daß sich ein Mann, der mit Französisch nicht zurande kam, ausgerechnet Napoleon zum Vorbild genommen hatte.
    »Es wird eine Blitzaktion. Hat Anderson Ihnen das gesagt?« Er wartete meine Antwort nicht ab. »Wir tauchen auf, palavern mit ein paar Kongolesen, handeln einen Deal mit ihnen aus, lassen sie einen Vertrag unterschreiben, tauchen wieder ab. Sechs Stunden höchstens, länger haben wir sie nicht am Wickel. Einzeln haben sie alle schon ja gesagt, jetzt müssen wir sie bloß noch dazu kriegen, daß sie auch zueinander ja sagen. Offiziell sind sie woanders, und da müssen sie auch wieder hin, bevor die Uhr Mitternacht schlägt.

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