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Geheime Melodie

Geheime Melodie

Titel: Geheime Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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Kapiert?«
    »Kapiert, Skipper.«
    »Für Sie ist das hier eine Premiere, richtig?«
    »Leider ja. Meine Feuertaufe, könnte man sagen«, gestand ich mit einem zerknirschten Lächeln, um ihm zu zeigen, daß ich mir meiner Unzulänglichkeit durchaus bewußt war. Dann konnte ich meine Neugier nicht länger zügeln: »Sie möchten mir vermutlich nicht verraten, wohin wir fliegen, Sir?«
    »Auf eine kleine Insel oben im Norden, wo wir ungestört sind. Je weniger Sie wissen, desto ruhiger können Sie hinterher schlafen.« Er gestattete sich eine Art Schmunzeln. »Bei diesen Jobs ist es immer dasselbe. Erst heißt es ›Beeilung‹, dann ›Warten‹ und zuletzt: ›Wo bleiben Sie denn?‹ Und bevor du dich’s versiehst, spielen noch zehn andere Wichtigtuer mit, deine eige nen Leute sind über den ganzen Globus verstreut, und dein Hinterreifen ist im Arsch.«
    Sein ruheloser Blick heftete sich auf einen Stapel koffer ähnlicher schwarzer Kästen, die alle die gleiche Größe hatten und neben der Kabinentür festgezurrt waren. Auf einer Matratze davor lag, zusammengerollt wie ein neugeborenes Kälbchen, ein zwergenhafter Mann mit Schlägerkappe und Steppweste, der dem Anschein nach genauso tief und fest schlief wie seine Kameraden.
    »Taugt denn der Krempel da was, Spider?« fragte Maxie, die Stimme erhoben, um sich über die Breite des Flugzeugrumpfs hinweg verständlich zu machen.
    Kaum da ß der Zwerg seinen Namen hörte, sprang er wie ein Akrobat auf die Füße und baute sich in komödiantischer Habachtstellung vor uns auf.
    »Glaube kaum, Skip. Ein Haufen Schrott, so wie’s aussieht«, antwortete er heiter mit einem walisischen Einschlag, wie mir das Ohr des Spitzendolmetschers sogleich verriet. »Was erwartest du für dein Geld, wenn einer nur zwölf Stunden Zeit kriegt, um so ein Teil zusammenzubasteln?«
    »Wie sieht’s mit Proviant aus?«
    »Gute Frage, Skip. Ein anonymer Gönner hat uns freundlicherweise diesen Fortnum-Freßkorb hier spendiert. Jedenfalls gehe ich davon aus, daß er anonym bleiben will, weil das Ding keinen Absender hat, und ein Kärtchen auch nicht.«
    »Und lohnt sich’s?«
    »Nicht besonders, ehrlich gestanden. Ein ganzer York-Schinken. Ungefähr ein Kilo Gänseleberpastete. Ein paar R äucherlachsfilets, ein gebratenes Roastbeef, Käsestangen, eine Magnumflasche Champagner. Nichts, was so richtig Appetit macht. Ich wollt’s schon wieder zurückgehen lassen.«
    »Den Korb gibt’s dann auf dem Rückflug«, schnitt Maxie ihm das Wort ab. »Sonst noch was auf der Speisekarte?«
    »Chow Mein. Das beste, was man in Luton auftreiben kann. Müßte inzwischen auch schön kalt sein.«
    »Her damit. Und sag unserem Sprachguru hallo. Brian heißt er. Leihgabe aus dem Chatroom.«
    »Aus dem Chatroom, hm? Ja, ja, da werden Erinnerungen wach. Mr. Andersons alte Klitsche. Singt er immer noch Bariton? Nicht daß ihn in der Zwischenzeit einer kastriert hat …«
    Womit Spider, wie er offensichtlich hie ß, mit seinen Knopfäuglein auf mich herunterlächelte, und ich lächelte hoch zu ihm, meinem Freund Nummer zwei bei unserem großen Unternehmen.
    »Und Militärausdrücke haben Sie auch drauf«, verkündete Maxie, indem er eine alte, mit khakifarbenem Stoff bezogene Trinkflasche aus Blech und ein Päckchen Bath-Oliver-Kräcker aus seinem Gasmaskenbehälter hervorholte. Wie ich später erfuhr, enthielt die Flasche Malvern Water.
    »An was für Militärausdrücke dachten Sie denn, Skipper?« parierte ich.
    Mein Chow Mein war zu einer kalten Pampe erstarrt, aber da ich mir keine Bl öße geben wollte, würgte ich es entschlossen hinunter.
    »Handfeuerwaffen, Artillerie, Feuerkraft, Kaliber, diesen ganzen Kram« – und biß in einen Kräcker.
    Ich versicherte ihm, da ß ich dank meiner Erfahrungen im Chatroom mit einer ganzen Palette technischer und militärischer Begriffe vertraut sei. »Aber normalerweise ist es ohnehin so, daß ein Ausdruck, für den es in der jeweiligen Landessprache keine Entsprechung gibt, einfach bei der nächstbesten Kolonialsprache abgekupfert wird«, fügte ich hinzu. Endlich war ich in meinem Element. »Was im Falle eines Ostkongolesen natürlich das Französische wäre.« Ich konnte mich nicht beherrschen. »Es sei denn, er wäre in Ruanda oder Uganda ausgebildet worden. Dann würde man auch ein paar englische Lehnwörter finden, Sniper zum Beispiel oder MG.«
    Maxie legte allenfalls h öfliches Interesse an den Tag. »Dann würde also ein Munyamulenge, der mit einem Bembe

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