Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geheime Melodie

Geheime Melodie

Titel: Geheime Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
Vom Netzwerk:
gedrillt, unter jeglichen Witterungsbedingungen zu funktionieren, tapfer weiterübersetzt, abwechselnd ins Französische und – auf einen bohrenden Blick von Maxie hin – ins Englische, hektisch Stichworte mitkritzelnd, aus denen ich mir im nachhinein folgende Version zusammenkonstruiert habe:
    Wir kaufen uns die Soldaten Wir kaufen uns die Lehrer und die Ärzte Wir kaufen uns den Garnisonskommandanten von Bukavu und den Polizeichef und den Vize-Polizeichef dazu Wir brechen das Gef ängnis auf und stellen an jedes Stra ßeneck ein Fuder Bier – und eine Ladung Semtex zum Nachtisch und all die Ruander mit Ha ß auf Ruanda, die kriegen von uns ein schniekes neues Gewehr:
    Noch jemand ohne? Hierher, bittesehr! Und alle die Penner und Spinner und Typen, die auf dich schie ßen, weil in dir der Teufel steckt die kriegen von uns auch noch Knarren und Bier Und all den braven Katholiken in Bukavu, und den Priestern und Nonnen, die Jesus lieben und keinen Ärger wollen und auch keinen machen, weil sie wissen,
    wie rar gute Christen sind -Denen sagen wir, der F ürst der Armut höchstselbst reitet auf seinem Esel in das neue Jerusalem ein! Drum zisch noch ein Bier, Baby, mix dir noch ’nen Molli, schlag noch zwei, drei Fenster ein und polier noch zwei, drei Fressen – Dem Paradies des Volkes entgehst nicht mal du!
    Auch Philip lacht jetzt und sch üttelt staunend den Kopf, während er mit seiner Glocke die nächste Pause einläutet. Aber es ist Tabizi, zu dem mein Blick immer wieder verstohlen zurückkehrt. Sein Gesicht ist eine Maske kaum verhohlener Wut. Seine pechschwarzen Augen, halbverborgen von den schweren Lidern, zielen wie zwei Gewehrmündungen auf Hajs Stirn und erinnern mich, daß es eine Schicht von Arabern gibt, deren Verachtung für ihre Brüder südlich der Sahara so tief sitzt, daß nichts auf der Welt daran etwas ändern kann.

11
    Wo zum Teufel stecken alle, Sam? Ich h öre nur lautes Schweigen.
    Ich k ümmer mich gleich drum, Brian, mein Lieber. Haben Sie ein bißchen Geduld.
    Ich gebe mir alle M ühe. Unverständliches Gemurmel, während Sams Stimme bei Anton anfragt, dann bei Philip.
    Franco h ätten wir, Brian.
    Wo ?
    In den K öniglichen Gemächern. Er hält ein Schwätzchen mit dem Mwangaza.
    Soll ich hinschalten? frage ich eifrig.
    Auf gar keinen Fall, danke, Brian. Die zwei kommen ausgezeichnet ohne Sie zurecht.
    Über meinen Kopfhörer fange ich das Klacken von Hajs Krokosohlen im Bogengang auf, begleitet von einem weiteren Paar Schritte, die ich versuchsweise Dieudonné zuordne. Eine Vermutung, die Sam sofort bestätigt: Ihre Späher melden, daß Haj Dieudonné am Ellenbogen gepackt hat und ihn in Richtung Pavillon abschleppt. Und was noch besser ist, Haj hat den Finger an den Mund gelegt, er bedeutet Dieudonné zu schweigen, bis sie weit genug vom Haus entfernt sind. Die Nachricht läßt mein Herz höher schlagen. Kann etwas süßer klingen in den Ohren eines TeilzeitTondiebs als: »Gehen wir irgendwohin, wo uns keiner h ört«, oder: »Warte hier, ich suche schnell die nächste Telefonzelle.«
    Und bei allem Hochgef ühl denke ich: Armer Dieu-donné – eben noch mitgerissen von Maxies großem Plan, jetzt am Kragen zurückgezerrt von diesem Quertreiber Haj!
    Die beiden M änner haben die Treppe zum Pavillon erreicht und beginnen sie hinaufzusteigen. Und gleich auf den ersten Stufen fängt Haj zu tanzen an. Und im Tanzen beginnt er stoßweise zu sprechen: Salven von Sohlengeknatter, jede begleitet von einer Wortsalve. Tondiebe hören wie Blinde. Aber manchmal sehen sie auch wie Blinde, und genau so sehe ich jetzt: klar wie der helle Tag, auch ohne Augenlicht. Ich sehe Hajs lindgrüne Krokosohlen die Steinstufen auf und ab steppen, klackerdiklack, klackerdiklack. Ich sehe seine gegelte Stirnlocke rucken, sehe seinen schlanken Körper, der sich rückwärts biegt, die Hände flatternd wie Seidenschals vor dem klaren blauen Himmel. Er hält seine Stimme gesenkt, das Klacken der Sohlen übertönt sie. So wild sich sein Körper auch gebärdet, die Stimme ist um so kontrollierter, und je leiser er spricht, desto mehr Krach macht er mit den Füßen und desto mehr wirft er im Lauf eines einzigen Satzes den Kopf herum, während er mit seinen Worten die Mikros speist, ein abgerissener kleiner Happen für jedes wartende Kröpfchen.
    Welche Sprache spricht er da? Seine Muttersprache Shi, die Dieudonn é zufälligerweise ebenfalls beherrscht. Er benutzt also (glaubt er zumindest), mit ein wenig

Weitere Kostenlose Bücher