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Geheime Melodie

Geheime Melodie

Titel: Geheime Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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Improvisation und ein paar Brocken Französisch hier und da, eine Sprache, die garantiert von kei nem Lauscher verstanden wird – nur verstehe ich ihn doch.
    Und ich bin ihm auf den Fersen. Ich bin ganz dicht an ihm dran. So dicht, da ß ich ihn, wenn ich die Lider fest zukneife, mit meinem virtuellen Auge sehen kann. Wenn Haj weghüpft und Dieudonné hinter ihm herschnauft mit seinem stimmlosen Hüsteln, ist Salvo der Spitzendolmetscher mit seinem Kopfhörer und seiner Kladde gleich an ihrer Seite. Wenn Haj einen Satz nach hinten macht, erstarrt Dieudonné in der Bewegung, und ich erstarre mit. Noch eine Stufe höher, und Haj springt aufs Gras. Ich mit. Und Haj weiß, daß ich da bin. Ich weiß, daß er es weiß. Er spielt Ochs-am-Berg mit mir, und ich mit ihm. Er führt das Zebra lustig an der Nase herum, und das Zebra wiederum ihn, die Stufen auf und ab und immer schön im Kreis.
    Was er nicht ahnt, ist, wie primitiv unser Abh örsystem ist. Er ist ein Mann der Moderne, und so, wie ich ihn kenne, ein Technik-Freak noch dazu. Er denkt, wir haben die ganze Palette: Richtmikrophone, Laser, Satellit und was es sonst noch an High-Tech-Spielzeug im Chatroom gibt, aber er täuscht sich. Und das hier ist nicht der Chatroom, Haj. Und Spiders Mikros sind ortsfest, selbst wenn du und ich und Dieudonné es nicht sind. Und Spiders System ist ein gutes altmodisches Kabelsystem, und das Zebra genießt es in vollen Zügen.
    Mann gegen Mann also. Haj gegen Salvo, mano a mano, mit Dieudonn é als ahnungslosem Dritten. Hajs Shi und Hajs Steptanz und Hajs Springen und Wegducken gegen Salvos messerscharfes Ohr. Die Kroko sohlen klappern wie Holzpantinen auf Kopfsteinpflaster. Haj dreht Pirouetten, seine Stimme h üpft und taucht weg und taucht wieder auf, ein bißchen Shi, ein bißchen Kinyarwanda, vereinzelte Brocken Argot, damit’s nicht zu einfach wird. Ein einziger Satz kann aus drei verschiedenen Mikrophonen kommen, in drei verschiedenen Sprachen, und der Empfang ist so chaotisch wie der Mann selbst. Ich tanze auch, wenn auch nur im Kopf. Es ist ein Duell, zwei blanke Säbel dort oben auf den Stufen, und sooft Haj mir einen Moment zum Luftholen läßt, gebe ich hastig komprimierte Übersetzungen an Sam durch, während meine linke Hand den Schreibblock festhält und der Bleistift in meiner Rechten zu Hajs Weise übers Papier tanzt.
    Kein Grund zu schreien, Brian, mein Lieber. Wir h ören Sie sehr gut.
    Die Aufnahme geht über neun Minuten, was zwei Drittel der Pause sind. Das Zebra wird in seinem Leben keine bessere Beute machen.
    * * *
    Haj: Wie krank bist du denn nun? (Kroko-Stakkato, zwei Stufen hoch, drei wieder hinunter, stop. J ähe Stille) Sehr? (Keine Antwort. Neuerliches Stakkato. Stop) Ehefrauen auch? Und die Kinder? (Nickt Dieudonné? Offenbar ja) Schöne Scheiße. Und wie lang hast du noch? (Keine Antwort) Irgendeine Ahnung, wo du’s dir geholt hast?
    Dieudonn é: Bei einer Frau. Was dachtest du denn?
    Haj: Wann?
    Dieudonn é: Achtundneunzig.
    Haj: Im Krieg achtundneunzig?
    Dieudonn é: Was sonst?
    Haj: Im Kampf gegen die Ruander?
    (Vermutlich ein weiteres Nicken)
    Haj: Er k ämpft, er fickt, alles für die eine wahre Demokratische Republik Kongo! Heilige Scheiße! Hat dir schon irgendwer gedankt?
    Dieudonn é: Daß ich mir die Seuche geholt habe?
    Haj: Da ß du in einem weiteren sinnlosen Krieg mitgekämpft hast, Mann. (Tanzt die Stufen hoch und wieder hinunter) Scheiße. Mist. (Noch mehr gedämpfte Flüche) Dieses No-name-Syndikat will dich um jeden Preis, das ist dir klar? (Nicht zu verstehen) Die Banyamulenge haben die besten, diszipliniertesten, motiviertesten Krieger, die besten Bodenschätze … Gold und Coltan auf dem Plateau … und ihr baut sie nicht mal ab, weil ihr eure Scheißkühe so liebhabt!
    Dieudonn é: (Unter Husten, aber in extrem ruhigem Ton) Dann werden wir unsere Bedingungen diktieren. Wir werden zum Mwangaza gehen und zu ihm sagen: Erst gibst du uns alles, was du uns versprochen hast, sonst kämpfen wir nicht für dich. Sonst kämpfen wir gegen dich. Das werden wir sagen.
    Haj: Dem Mwangaza? Du denkst, der Mwangaza hat hier was zu melden? Unser ach-so-tapferer Held! Unser strahlender Lichtbringer … unser selbstloser Freund der Armen! Dem Kerl gehört in Spanien die ärmlichste Zehn-Millionen-Dollar-Villa, die die Welt je gesehen hat. Frag meinen Vater … Plasmabild schirme in jedem verdammten Klo … (Wildes Sohlengeknatter, Worte extrem verzerrt, dann wieder klarer. Leise, kontrapunktisch

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