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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Morton
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hat.« Mrs Townsend schaute Miss Starling an, und ihre Stimme begann zu zittern. »Aber ich weiß immer noch, was so ein junger Mann wie Alfred braucht.«
    »Selbstverständlich«, sagte Miss Starling, während sich verräterische Flecken auf ihren blassen Wangen ausbreiteten. »Ich wollte ja auch nicht andeuten …« Ihre Lippen bewegten sich, aber die Worte wollten nicht herauskommen. Dann brachte sie ein schwaches Lächeln zustande. »Sie kennen Alfred natürlich am besten.«
    Mrs Townsend nickte knapp, während sie ihren Teig erneut in Angriff nahm. Die dicke Luft verflüchtigte sich ein wenig, und Mr Hamilton, dem die Anstrengung des Nachmittags deutlich anzusehen war, wandte sich an mich. »Beeil dich, Grace«, sagte er müde. »Sobald du fertig bist, kannst du dich oben nützlich machen und den beiden jungen Damen helfen, sich fürs Dinner fertig zu machen. Aber halt dich nicht zu lange auf. Die Tischkarten müssen noch aufgestellt und die Blumen arrangiert werden.«
     
    Als Mr Frederick und die Mädchen nach Kriegsende auf Riverton eingezogen waren, hatten Hannah und Emmeline sich neue Zimmer im Ostflügel ausgesucht. Jetzt waren sie nicht länger Gäste, sondern Hauseigentümer, und es war zu erwarten gewesen, sagte Nancy, dass sie sich neu einrichten würden, um ihre Stellung im Haus deutlich zu machen. Von Emmelines Fenster aus konnte man
den Eros-und-Psyche-Brunnen sehen, während Hannah sich für ein kleineres Zimmer mit Blick auf den Rosengarten und den See entschieden hatte. Die beiden Räume waren durch einen kleinen Salon miteinander verbunden, der immer der »Rote Salon« genannt wurde, auch wenn ich nie verstehen konnte, warum, denn die Wände waren in einem blassen Enteneiergrau gestrichen und die Vorhänge mit einem Blumenmuster in Blau- und Rosatönen bedruckt.
    Der Rote Salon war noch immer geprägt vom Geschmack desjenigen, der ihn einst eingerichtet hatte, und es gab kaum etwas, was darauf schließen ließ, dass er nun von neuen Bewohnern genutzt wurde. Der Raum war gemütlich eingerichtet mit einer rosafarbenen Chaiselongue unter dem einen und einem Schreibtisch aus Walnussholz unter dem anderen Fenster. Neben der Tür zum Korridor befand sich ein majestätischer Sessel, und auf einem kleinen Mahagonitisch stand ein nagelneues, blitzblankes Grammofon, dessen Modernität den alten Möbeln einen frischen Glanz zu verleihen schien.
    Als ich durch den schwach beleuchteten Korridor ging, drangen die wehmütigen Klänge eines vertrauten Lieds durch die geschlossene Tür, mischten sich mit der kalten, abgestandenen Luft, die die Fußleisten entlangstrich. If you were the only girl in the world, And I were the only boy …
    Es war Emmelines derzeitiges Lieblingslied, und es lief beinahe ohne Unterbrechung, seit die Hartfords aus London eingetroffen waren. Wir sangen es alle im Dienstbotentrakt. Selbst Mr Hamilton pfiff die Melodie manchmal in seinem Anrichtezimmer vor sich hin.
    Ich klopfte und trat ein, überquerte den ehemals prächtigen Teppich und machte mich daran, die Seiden-und Satinkleider zu sortieren, die auf dem Sessel lagen.
Ich war froh, etwas zu tun zu haben. Auch wenn ich mich die ganze Zeit nach den Mädchen gesehnt hatte, war die Vertrautheit, die sich damals zwischen uns entwickelt hatte, in den zwei Jahren ihrer Abwesenheit verloren gegangen. Eine stille Revolution hatte stattgefunden, und die beiden Mädchen mit Schürzen und Zöpfen waren als junge Frauen zurückgekehrt. Ich war ihnen gegenüber wieder sehr schüchtern.
    Und noch etwas hatte sich geändert, nur vage spürbar, und dennoch bedrückend. Es waren nur noch zwei, wo vorher drei gewesen waren. Davids Tod hatte das Dreiergespann aufgelöst, und sein Platz war jetzt leer. Zwei Punkte sind instabil; ohne Ankerpunkt driften sie in entgegengesetzte Richtungen auseinander. Wenn sie durch einen Faden zusammengehalten werden, wird er irgendwann reißen, und dann werden sie sich trennen; wenn es ein elastisches Band ist, werden sie sich immer weiter voneinander entfernen, bis die Belastung ihre Grenzen erreicht, und dann werden sie mit solcher Kraft wieder zurückschnellen, dass sie mit zerstörerischer Wucht aufeinanderprallen.
    Hannah lag auf der Chaiselongue, ein Buch in der Hand, die Stirn konzentriert in Falten gelegt. Mit der freien Hand hielt sie sich ein Ohr zu, in dem vergeblichen Versuch, sich vor der krächzenden, aufdringlichen Musik aus dem Grammofon zu schützen.
    Sie las gerade das neue Buch von James Joyce:

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