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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Morton
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mir alles nur eingebildet hatte …
    Den frühen Abend verbrachte ich im Dienstbotentrakt. Falls Mrs Townsend sich über mein plötzliches Interesse an der Zubereitung eines gebratenen Fasans wunderte, war sie klug genug, mich nicht darauf anzusprechen. Ich befreite die Haut des Vogels von Federkielresten und half sogar bei der Zubereitung der Füllung. Ich tat alles, um zu verhindern, dass man mich wieder nach oben schickte, wo Alfred die Gäste bediente.
    Alles lief gut, bis Mr Hamilton mir ein Tablett mit Cocktails in die Hände drückte.
    »Aber, Mr Hamilton«, sagte ich verzweifelt. »Ich helfe doch gerade Mrs Townsend beim Kochen.«
    Mr. Hamilton, verblüfft über meine Aufmüpfigkeit, erwiderte: »Und ich befehle dir, diese Cocktails nach oben zu bringen.«
    »Aber Alfred …«
    »Alfred ist damit beschäftigt, das Esszimmer herzurichten«, sagte Mr Hamilton. »Und jetzt beeil dich. Lass Seine Lordschaft nicht warten.«

    Sie waren nur zu sechst, und dennoch wirkte das Zimmer überfüllt. Laute Stimmen und übermäßige Hitze. Mr Frederick, der unbedingt einen guten Eindruck machen wollte, hatte auf zusätzlichen Heizmöglichkeiten bestanden, und Mr Hamilton hatte die Herausforderung angenommen und zwei Ölöfen gemietet. Ein besonders aufdringliches Damenparfüm entfaltete sich unter den Treibhausbedingungen besonders gut und drohte alle Anwesenden zu betäuben.
    Zuerst sah ich Mr Frederick, der in seinem schwarzen Smoking beinahe so elegant aussah wie früher der Major, nur schlanker und weniger steif. Er stand vor dem Mahagonischreibtisch und unterhielt sich mit einem aufgedunsenen Mann, dessen graue Haare wie ein Kranz um seinen glänzenden Schädel lagen.
    Der dicke Mann zeigte auf eine Porzellanvase auf dem Schreibtisch. »So eine hab ich bei Sotheby’s gesehen«, sagte er mit einem seltsamen Akzent, einer Mischung aus bürgerlichem Nordenglisch und irgendetwas anderem. »Genau die Gleiche.« Er beugte sich vor. »Die ist eine Stange Geld wert, alter Junge.«
    Mr Frederik antwortete ausweichend: »Das weiß ich nicht. Mein Urgroßvater hat sie aus dem Fernen Osten mitgebracht. Seitdem steht sie da.«
    »Hast du das gehört, Estella?«, rief Simion Luxton quer durchs Zimmer seiner teigigen Frau zu, die zwischen Emmeline und Hannah auf dem Sofa saß. »Frederick sagt, sie ist seit Generationen in der Familie. Er benutzt sie als Briefbeschwerer.«
    Estella Luxton lächelte ihren Mann milde an, während die beiden sich wortlos miteinander verständigten, eine durch jahrelanges Zusammenleben erworbene Fähigkeit. In diesem kurzen Augenblick wurde mir bewusst, dass die Ehe der Luxtons nur noch eine Zweckgemeinschaft
war. Eine symbiotische Verbindung, deren Nützlichkeit die Leidenschaft längst überlebt hatte.
    Nachdem sie ihrem Ehemann die nötige Aufmerksamkeit geschenkt hatte, wandte Estella sich wieder an Emmeline, in der sie eine verwandte Seele gefunden hatte, die sich ebenso brennend für Society-Klatsch interessierte wie sie. Was ihrem Mann an Haarpracht fehlte, machte Estella mehr als wett. Ihr zinngraues Haar war zu einem eindrucksvollen Nackenknoten gewunden, der in seiner Konstruktion sehr amerikanisch wirkte. Er erinnerte mich an ein Foto, das Mr Hamilton im Dienstbotentrakt ans schwarze Brett geheftet hatte, ein Bild von einem eingerüsteten New Yorker Wolkenkratzer: komplex und eindrucksvoll, ohne wirklich schön zu sein. Estella lächelte über etwas, das Emmeline gesagt hatte, und ich war verblüfft über ihre ungewöhnlich weißen Zähne.
    Ich durchquerte das Zimmer, stellte das Cocktailtablett in den Lastenaufzug unter dem Fenster und knickste. Der junge Mr Luxton saß im Sessel und hörte mit halbem Ohr zu, wie Emmeline und Estella begeistert über die kommende Saison plauderten.
    Theodore – oder Teddy, wie wir ihn später nannten – war auf eine Weise attraktiv, wie es damals alle wohlhabenden Männer waren. Durchschnittlich gutes Aussehen, veredelt durch Selbstbewusstsein, eine Fassade aus Esprit und Charme und ein verschmitztes Leuchten in den Augen.
    Er hatte dunkles Haar, fast so schwarz wie sein Saville-Row-Smoking, und er trug einen eleganten schmalen Schnurrbart, der ihn aussehen ließ wie einen Filmschauspieler. Wie Douglas Fairbanks, schoss es mir durch den Kopf, und ich spürte, wie ich errötete. Sein Lächeln war offen und entspannt, seine Zähne noch weißer als die
seiner Mutter. Es musste an dem amerikanischen Wasser liegen, dachte ich, denn die Zähne der Amerikaner

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