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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Morton
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abstreifte, betrachtete sie sich im Spiegel.
    »Er sagt, dass er mich liebt. Kannst du dir das vorstellen ?«
    Ich antwortete nicht, und sie rechnete auch nicht damit. Dann sagte sie, sie brauche mich nicht mehr, und entließ mich.
    Als ich hinausging, saß sie noch immer vor dem Spiegel und betrachtete sich, als wäre es das erste Mal, als wollte sie sich ihre Gesichtszüge einprägen aus Furcht, sie könnten sich beim nächsten Blick in den Spiegel schon verändert haben.
     
    Während Hannah an ihrer Frisierkommode saß und über diese merkwürdige und unerwartete Wendung der Dinge sinnierte, sah sich Mr Frederick in seinem im Erdgeschoss gelegenen Arbeitszimmer mit einem Schock ganz anderer Art konfrontiert. Mit atemberaubender Ignoranz hatte Mr Luxton ausgerechnet an jenem Abend seinen Schlag ausgeführt. (Die Räder des Geschäftslebens konnten schließlich nicht wegen eines Debütantinnenballs stillstehen, oder?)
    Während die Tänzer und Tänzerinnen durch den Ballsaal wirbelten, hatte er Mr Frederick eröffnet, dass das Konsortium die notwendige Finanzspritze für sein kränkelndes Unternehmen verweigert habe. Das Risiko werde als zu groß betrachtet. Allerdings besitze Mr Frederick ja noch ein wertvolles Stück Land, für das er schnell und günstig einen Käufer finden könne, falls er sich vor der Peinlichkeit bewahren wolle, dass ihm die Bank eine weitere Finanzierung verweigere. (Auf Anhieb falle ihm ein amerikanischer Freund ein, der zufällig ein Grundstück in dieser Gegend suche, um die Versailler Gärten nachzubauen. Ein Geschenk für seine neue Frau.)

    Mr Luxtons Kammerdiener plauderte die Neuigkeit aus, nachdem er sich bei den anderen Dienstboten einen Schnaps zu viel genehmigt hatte. Doch überrascht und bekümmert wie wir waren, blieb uns nichts anderes übrig, als unseren Pflichten weiter nachzugehen. Das Haus war voller Gäste, die mitten im Winter von weit her angereist und wild entschlossen waren, eine angenehme Zeit zu verbringen. Also taten wir wie gewohnt unsere Arbeit, servierten Tee, räumten die Zimmer auf und brachten Mahlzeiten auf den Tisch.
    Mr Frederick jedoch brachte es nicht fertig, so zu tun, als wäre nichts geschehen. Während seine Gäste sich ganz wie zu Hause fühlten, sich an seinem Essen gütlich taten, seine Bücher lasen und sich an seiner Großzügigkeit erfreuten, igelte er sich in seinem Arbeitszimmer ein. Erst als der letzte Wagen abgefahren war, ließ er sich wieder blicken und begann, im Haus und im Park herumzustreifen, wie es ihm bis zu seinen letzten Tagen zur Gewohnheit werden sollte: geräuschlos, geisterhaft, die Gesichtsnerven angespannt von den Summen und Szenarien, die ihn offenbar quälten.
    Lord Gifford war nun regelmäßig im Haus, und Miss Starling wurde aus dem Dorf herbeizitiert, um Dokumente in den Aktenschränken ausfindig zu machen. Tagein, tagaus wurde sie in Mr Fredericks Arbeitszimmer gebraucht und erschien alle paar Stunden, düster gekleidet und mit blasser Gesichtsfarbe, um mit uns im Dienstbotentrakt zu speisen. Wir waren gleichermaßen beeindruckt und verärgert über ihre absolute Verschwiegenheit über alles, was hinter den verschlossenen Türen vor sich ging.
    Lady Violet, die immer noch krank zu Bett lag, durfte von all dem nichts erfahren. Der Arzt erklärte, er könne nichts mehr für sie tun, und wenn uns unser Leben lieb sei, sollten wir uns von ihr fernhalten. Denn es sei keine
gewöhnliche Erkältung, die sie im Griff habe, sondern ein besonders bösartiger Grippevirus, der angeblich aus Spanien eingeschleppt worden war. Es sei ein grausames Spiel Gottes, bemerkte der Arzt düster, Millionen guter Menschen vier Jahre Krieg überleben zu lassen, nur um dann, als endlich wieder Frieden herrschte, den Tod über sie zu schicken.
    Angesichts des entsetzlichen Gesundheitszustands ihrer Freundin verlor Lady Clementine nicht nur das Interesse an Katastrophen und Tod, sondern auch ihre Angst. Die Warnungen des Arztes ignorierend, machte sie es sich in einem Sessel neben Lady Violets Bett bequem und plapperte unbekümmert über das Leben außerhalb des warmen, dunklen Schlafzimmers. Sie berichtete von dem erfolgreichen Ball, von Lady Pamela Wroths scheußlichem Kleid und versicherte ihr, sie habe guten Grund anzunehmen, Hannah werde sich bald mit Mr Theodore Luxton verloben, dem Erben des beachtlichen Familienvermögens der Luxtons.
    Ob Lady Clementine mehr wusste, als sie zugab, oder ob sie lediglich ihrer Freundin in der Stunde der

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