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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Morton
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zogen nicht die Stirn kraus und machten mir keine Vorwürfe. Sie taten etwas völlig Unerwartetes. Wie auf ein Zeichen hin brachen sie in schallendes Gelächter aus, krümmten sich vor Lachen, bis sie regelrecht ineinander verknäuelt waren.
    Ich stand abwartend da, durch ihre Reaktion noch stärker verunsichert als durch die Stille, die ihr vorausgegangen war. Meine Unterlippe zitterte.
    Schließlich ergriff das große Mädchen das Wort. »Ich bin Hannah«, sagte sie und wischte sich die Augen. »Kennen wir uns?«
    Ich atmete aus und knickste. »Nein, Mylady. Ich bin Grace«, sagte ich leise.
    Emmeline kicherte. »Sie ist keine Lady. Sie ist bloß eine Miss.«
    Wieder machte ich einen Knicks, bemüht, ihrem Blick nicht zu begegnen. »Ich bin Grace, Miss.«
    »Du kommst mir bekannt vor«, sagte Hannah. »Bist du sicher, dass du nicht Ostern schon hier warst?«
    »Ja, Miss, ich hab gerade erst angefangen. Vor einem Monat.«
    »Du siehst gar nicht aus, als wärst du schon alt genug, um als Dienstmädchen zu arbeiten«, sagte Emmeline.
    »Ich bin vierzehn, Miss.«
    »Ha!«, sagte Hannah. »Ich auch. Und Emmeline ist zehn, und David ist schon uralt – sechzehn.«

    David ergriff das Wort. »Und machst du das immer so, dass du nicht nur die Sitzmöbel abstaubst, sondern die Leute, die sich darauf ausruhen, gleich mit?« Woraufhin Emmeline wieder losprustete.
    »O nein. Nein, Sir. Das war das erste Mal, Sir.«
    »Schade«, sagte David. »Ich würde es ganz praktisch finden, nie wieder baden zu müssen.«
    Ich war vollkommen ratlos, und meine Wangen glühten. In meinem ganzen Leben war ich noch nie einem echten Gentleman begegnet. Jedenfalls keinem in meinem Alter, keinem, der vom Baden redete und mich damit so in Verlegenheit brachte, dass mir das Herz bis zum Hals schlug. Seltsam. Heute bin ich eine alte Frau, aber wenn ich an David denke, kommen diese alten Gefühle wieder hoch. Das bedeutet also, dass ich noch nicht tot bin.
    »Nimm ihn nicht ernst«, sagte Hannah. »Er hält sich für unglaublich witzig.«
    »Ja, Miss.«
    Sie sah mich fragend an, als wollte sie noch etwas hinzufügen. Aber bevor sie dazu kam, hörten wir schnelle, leichte Schritte auf der Treppe und dann auf dem Flur. Sie kamen näher. Tack, tack, tack, tack …
    Emmeline lief zur Tür und spähte durchs Schlüsselloch.
    »Das ist Miss Prince«, sagte sie und drehte sich zu Hannah um. »Sie kommt hierher.«
    »Schnell!«, flüsterte Hannah. »Sonst werden wir mit Tennyson gefoltert.«
    Füßescharren und Röckerascheln um mich herum, und ehe ich wusste, wie mir geschah, waren sie alle drei verschwunden. Dann wurde die Tür aufgerissen und kalte, feuchte Luft wehte herein. Eine sittsam gekleidete Person stand auf der Schwelle.

    Sie schaute sich im Zimmer um, bis ihr Blick an mir haften blieb. »Du«, sagte sie. »Hast du die Kinder gesehen? Ihr Unterricht hat angefangen. Ich warte schon seit zehn Minuten in der Bibliothek.«
    Ich war keine Lügnerin, und ich kann nicht sagen, was mich dazu getrieben hat. Aber als Miss Prince dort stand und mich über ihre Brille hinweg beäugte, zögerte ich keine Sekunde.
    »Nein, Miss Prince«, sagte ich.
    »Ach nein?«
    »Nein, Miss.«
    Sie schaute mir in die Augen. »Ich war mir sicher, aus diesem Zimmer Stimmen gehört zu haben.«
    »Das war meine, Miss. Ich habe gesungen.«
    »Gesungen?«
    »Ja, Miss.«
    Das Schweigen schien sich eine Ewigkeit hinzuziehen und wurde erst gebrochen, als Miss Prince ihren Zeigestock dreimal in ihre Handfläche schlug, ins Zimmer trat und langsam umherging. Tack … tack … tack … tack …
    Sie blieb vor dem Puppenhaus stehen und sah einen verräterischen Zipfel von Emmelines Schärpe darunter hervorlugen. Ich schluckte. »Ich … Ich glaube, ich habe sie vor einer Weile gesehen, Miss. Durchs Fenster. Im alten Bootshaus, unten am See.«
    »So, so, unten am See«, wiederholte Miss Prince. Inzwischen stand sie an der Terrassentür und schaute in den Nebel hinaus, das Gesicht bleich im weißen Licht. »Wo Weiden ergrauen, Espen erzittern, eine leichte Brise über die Wellen streicht …«
    Damals kannte ich Tennyson noch nicht, fand nur, dass das eine schöne Art war, den See zu beschreiben. »Ja, Miss«, sagte ich.

    Schließlich drehte sie sich um. »Ich werde den Gärtner bitten, sie zu holen. Wie heißt er?«
    »Dudley, Miss.«
    »Ich werde Dudley bitten, sie zu holen. Wir dürfen nicht vergessen, dass Pünktlichkeit die höchste Tugend ist.«
    »Nein, Miss«, sagte ich und

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