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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Morton
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anvertraut hatte.
    Gemäß der sorgfältig ausgearbeiteten Sitzordnung verteilten wir Tischkarten mit den Namen der Gäste in Lady Violets eleganter Handschrift. Die Bedeutung der Platzierung dürfe man nicht unterschätzen, betonte Nancy. Ihrer Meinung nach hing der Erfolg oder Misserfolg einer Dinnerparty allein von der Sitzordnung ab. Lady Violets Ruf als perfekte Gastgeberin beruhte offenbar auf ihrer Fähigkeit, die richtigen Leute einzuladen und diese dann so um den Tisch zu gruppieren, dass die Geistreichen und Unterhaltsamen zwischen den Langweiligen, aber Wichtigen saßen.
    Leider war ich bei dem Mittsommerdinner von 1914 nicht zugegen. Den Salon sauber zu machen mochte ein Privileg sein, aber beim Abendessen bei Tisch zu bedienen war eine ganz besondere Ehre, die mir in meiner bescheidenen
Position nicht zukam. Zu Nancys großem Verdruss war diesmal auch ihr das Vergnügen nicht vergönnt, weil Lord Ponsonby weibliches Personal bei Tisch verabscheute. Immerhin fühlte sie sich ein wenig getröstet, als Mr Hamilton bestimmte, dass sie in der Nische des Speisezimmers, verborgen vor den Blicken der Gäste, die Teller entgegennehmen sollte, die er und Alfred vom Tisch abräumten, um sie dann mit dem Speisenaufzug nach unten zu schicken. Auf diese Weise würde sie wenigstens einen Teil des Klatschs am Tisch mitbekommen. Sie würde hören können, was gesagt wurde, wenngleich die Gesichter der Sprechenden für sie im Verborgenen blieben.
    Meine Pflicht, erklärte mir Mr Hamilton, bestand darin, mich unten neben dem Speisenaufzug zu postieren. Ich nahm meinen Platz ein, auch wenn Alfred scherzhafte Bemerkungen über die Wichtigkeit dieser Aufgabe machte. Er machte dauernd irgendwelche Scherze; sie waren gut gemeint, und die anderen Dienstboten lachten darüber, aber ich war mit derartigen freundlichen Neckereien nicht vertraut und eher gewöhnt, stille Zurückhaltung zu üben. Unwillkürlich zuckte ich zusammen, wenn mir Aufmerksamkeit zuteil wurde.
    Staunend sah ich zu, wie der Schacht die erlesensten Speisen verschluckte – Schildkrötensuppe, Fisch, Bries, gebratene Wachteln, Spargel, Kartoffeln, Aprikosenpasteten, Pudding – und später leere Teller und Platten wieder ausspuckte.
    Während die Gäste oben dinierten, sorgte Mrs Townsend dafür, dass unter dem Speisezimmer die Küche dampfte und pfiff wie eine von diesen neuen, glänzenden Dampfmaschinen, die neuerdings durchs Dorf fuhren. Mit rasender Geschwindigkeit wuchtete sie ihr enormes Gewicht von Anrichte zu Anrichte, schürte das
Ofenfeuer, bis ihr Schweißperlen über die geröteten Wangen liefen, klatschte in die Hände und bemängelte in gespielter Bescheidenheit die knusprige braune Kruste an ihren Pasteten. Die Einzige, die sich von der ganzen Aufregung nicht anstecken ließ, war die arme Katie, der ihr Unglück ins Gesicht geschrieben stand: Die erste Hälfte des Abends verbrachte sie mit dem Schälen von zahllosen Kartoffeln, die zweite mit dem Schrubben von ebenso zahllosen Töpfen und Pfannen.
    Endlich, nachdem die Kaffeekannen, Sahnekännchen und kristallenen Zuckerschalen auf einem silbernen Tablett nach oben geschickt worden waren, band Mrs Townsend ihre Schürze ab, ein Zeichen für uns, dass die Arbeit für diesen langen Abend bald beendet war. Sie hängte die Schürze an einen Haken neben dem Herd und stopfte einige graue Strähnen zurück in ihren bemerkenswerten Dutt.
    »Katie?«, rief sie, während sie sich mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn wischte. »Katie?« Sie schüttelte den Kopf. »Also, ich weiß nicht! Dieses Mädchen steht entweder im Weg herum oder ist nicht zu finden.« Sie wankte zum Tisch hinüber und ließ sich seufzend auf ihren Platz sinken.
    Katie erschien in der Tür, einen nassen Lappen in der Hand. »Ja, Mrs Townsend?«
    »Ach, Katie«, schalt Mrs Townsend und zeigte auf den Boden. »Was denkst du dir eigentlich, Mädel?«
    »Nichts, Mrs Townsend.«
    »Danach sieht es auch aus. Du machst ja alles nass.« Mrs Townsend schüttelte den Kopf und seufzte. »Los, besorg dir einen Lappen und wisch das auf. Mr Hamilton dreht dir den Hals um, wenn er die Sauerei sieht.«

    »Ja, Mrs Townsend.«
    »Und wenn du damit fertig bist, kannst du uns allen eine ordentliche Tasse heißen Kakao machen.«
    Katie verschwand in Richtung Spülküche und wäre beinahe mit Alfred zusammengestoßen, der gut gelaunt die Treppe heruntergelaufen kam. »Uups! Vorsicht, Katie, sei froh, dass ich nicht auf dich draufgefallen bin!« Mit

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