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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Morton
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mich mit großen runden Augen an, unbelastet von der gesellschaftlichen Verpflichtung zu lächeln, der die meisten Erwachsenen meinen nachkommen zu müssen. Erinnerungen kamen hoch. Vor langer Zeit war ich dieses Kind, das von seiner dahineilenden Mutter durch die Straßen gezogen wurde. Die Erinnerung bekam klarere Konturen. Wir waren genau an diesem Laden vorbeigegangen, allerdings war hier damals noch kein Café, sondern eine Metzgerei. Im Schaufenster lagen verschieden große Fleischstücke auf weißen Marmorplatten aufgereiht, und über dem mit Sägemehl bestreuten Boden baumelten Rinderhälften. Mr Hobbins, der Metzger, hatte mir zugewinkt, und ich erinnerte mich, wie sehr ich mir gewünscht hatte, meine Mutter würde stehen bleiben und einen schönen Schinken für die Suppe einkaufen.
    Hoffnungsvoll trödelte ich vor dem Schaufenster, stellte mir vor, wie die Suppe – Schinken, Porree und Kartoffeln – auf unserem Holzofen vor sich hin blubberte und unsere winzige Küche mit ihrem salzigen Dampf erfüllte. Ich malte mir den köstlichen Duft so intensiv aus, dass es beinahe schmerzte.
    Aber meine Mutter blieb nicht stehen. Sie zögerte nicht einmal. Während das Klick-Klack ihrer Schritte sich immer weiter entfernte, wurde ich mit einem Mal von dem Wunsch überwältigt, ihr einen Schrecken einzujagen, sie dafür zu bestrafen, dass wir arm waren, sie glauben zu lassen, ich sei verloren gegangen.

    Ich blieb, wo ich war, überzeugt, dass sie mein Fehlen bald bemerken und zurückkommen würde. Vielleicht, ja vielleicht würde sie sogar so erleichtert sein, mich zu sehen, dass sie den Schinken mit Freuden kaufen würde …
    Plötzlich zerrte etwas an mir, und ich wurde in die Richtung gezogen, aus der ich gekommen war. Es dauerte einen Augenblick, bis ich begriff, was geschehen war, bis ich merkte, dass ein Knopf meines Mantels sich im Einkaufsnetz einer elegant gekleideten Dame verfangen hatte und ich wie von Zauberhand fortgerissen wurde. Ich erinnere mich noch lebhaft daran, wie ich, während meine Beine Mühe hatten, mit der Dame mitzuhalten, meine kleine Hand ausstreckte, um ihren breiten Hintern zu berühren, mich dann jedoch nicht traute. Die Dame überquerte mit mir im Schlepptau die Straße, und ich begann zu weinen. Ich war verloren, und mit jedem Schritt, den wir machten, wurde meine Angst größer. Ich würde meine Mutter nie wiedersehen und der fremden Frau mit ihren vornehmen Kleidern ausgeliefert sein.
    Plötzlich entdeckte ich meine Mutter auf der anderen Straßenseite inmitten all der anderen Leute, die dort einkaufen gingen. Erleichterung! Ich wollte sie rufen, brachte jedoch vor lauter Schluchzen kein Wort heraus. Nach Luft schnappend, das Gesicht tränenüberströmt, wedelte ich mit den Armen.
    Plötzlich drehte meine Mutter sich um und entdeckte mich. Sie erstarrte, schlug sich mit der mageren Hand auf ihre flache Brust, und einen Augenblick später war sie bei mir. Verdutzt über das Durcheinander blieb die Dame stehen, die ihren blinden Passagier bis dahin gar nicht bemerkt hatte. Sie drehte sich um und schaute uns an: meine hochgewachsene Mutter mit ihrem verhärmten Gesicht und dem verschossenen Rock und den tränenüberströmten Kobold, als der ich ihr erschienen sein
muss. Sie rüttelte an ihrem Einkaufsnetz und drückte es entsetzt an die Brust. »Weg! Weg! Verschwindet, sonst rufe ich die Polizei!«
    Einige Leute hatten mitbekommen, dass sich ein kleiner Eklat anbahnte, und begannen, einen Kreis um uns zu bilden. Meine Mutter entschuldigte sich bei der Dame, die sie anstarrte wie eine Ratte in der Vorratskammer, versuchte, ihr zu erklären, was geschehen war, aber die Dame wich nur vor ihr zurück. Mir blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen, woraufhin sie nur noch lauter kreischte. Schließlich tauchte ein Polizist auf und erkundigte sich, was der Aufruhr zu bedeuten habe.
    »Sie will mir meine Tasche stehlen«, sagte die Dame, während sie mit einem zitternden Finger auf mich zeigte.
    »Stimmt das?«, fragte der Polizist.
    Immer noch unfähig zu sprechen, schüttelte ich den Kopf, überzeugt, dass ich verhaftet würde.
    Dann erklärte meine Mutter noch einmal, was passiert war, dass mein Knopf sich in dem Einkaufsnetz verfangen hatte. Der Polizist nickte, und die Dame runzelte argwöhnisch die Stirn. Schließlich betrachteten alle das Einkaufsnetz und sahen, dass mein Knopf immer noch festhing. Der Polizist forderte meine Mutter auf, mich zu befreien.
    Sie löste den Knopf

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