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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Morton
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dachte an Marcus und wie er, getrieben von einer eindringlichen Melodie, der er nicht entkommen kann, über den Globus tanzt. In letzter Zeit braucht es nicht
viel, um mir Marcus in Erinnerung zu bringen. Besonders nachts drängt er sich häufig in meine Gedanken, wie eine getrocknete Sommerblume eingeklemmt zwischen Bildern von Hannah und Emmeline und Riverton: mein Enkel. Zur falschen Zeit am falschen Ort. Erst vor Kurzem noch war er ein kleiner Junge mit flaumiger Haut und großen Augen, dann plötzlich war er ein erwachsener Mann, gezeichnet von der Liebe und ihrem Verlust.
    Ich möchte sein Gesicht wiedersehen. Es berühren. Sein schönes, vertrautes Gesicht, wie alle Gesichter von den tüchtigen Händen der Geschichte geschnitzt. Gefärbt von Ahnen und einer Vergangenheit, über die er wenig weiß.
    Eines Tages wird er zurückkehren, daran zweifle ich nicht, denn die Heimat ist ein Magnet, der selbst seine in die entferntesten Winkel geflüchteten Kinder zurücklockt. Aber ob das morgen oder in vielen Jahren sein wird, weiß ich nicht. Und ich habe nicht die Zeit, darauf zu warten. Ich sitze bereits im kalten Wartezimmer der Zeit, zittere vor mich hin, während alte Geister und hallende Stimmen immer leiser werden.
    Deswegen habe ich mich entschlossen, ein Band für ihn zu besprechen. Vielleicht auch mehr als eins. Ich werde ihm ein Geheimnis erzählen, ein altes, wohlgehütetes Geheimnis.
    Ursprünglich wollte ich alles aufschreiben, aber als ich endlich einen vergilbten Schreibblock und einen schwarzen Kugelschreiber gefunden hatte, versagten meine Finger mir den Dienst. Willige, aber nutzlose Werkzeuge, nur in der Lage, meine Gedanken in unleserliches Gekritzel zu übertragen.
    Es war Sylvia, die mich auf die Idee mit dem Kassettenrekorder gebracht hat. Während einer ihrer Putzanfälle
in meinem Zimmer, den sie nutzte, um den Anforderungen eines unangenehmen Heimbewohners zu entkommen, entdeckte sie meinen Schreibblock.
    »Aha, Sie zeichnen also?«, hatte sie gesagt, während sie den Schreibblock hochhielt und von allen Seiten betrachtete. »Sehr modern. Hübsch. Was soll es denn darstellen? «
    »Einen Brief«, sagte ich.
    Da erzählte sie mir von Bertie Sinclairs Methode, sich mit seinem Sohn mithilfe von besprochenen Kassetten auszutauschen. »Und ich kann Ihnen sagen, seitdem ist er wesentlich erträglicher, nicht mehr so wehleidig. Sobald er anfängt, über seinen Hexenschuss zu jammern, brauche ich nur den Rekorder einzuschalten, und prompt ist er wieder glücklich und zufrieden.«
    Ich saß an der Bushaltestelle, befühlte mein Päckchen und malte mir die Möglichkeiten aus, die das Ding mir bot. Ich nahm mir vor anzufangen, sobald ich zu Hause war.
    Ruth winkte mir von der anderen Straßenseite aus grimmig lächelnd zu und verstaute eine kleine Tüte aus der Apotheke in ihrer Handtasche, während sie den Zebrastreifen überquerte. »Mum«, schalt sie mich, als sie näher kam. »Was machst du denn hier draußen in der Kälte?« Hastig sah sie sich nach allen Seiten um. »Die Leute denken am Ende noch, ich hätte dich hier warten lassen.« Sie zog mich auf die Füße und führte mich zu ihrem Wagen.
     
    Auf der Rückfahrt nach Heathview betrachtete ich die grauen Steinhäuser, die an uns vorbeisausten. Eins davon, unauffällig eingebettet zwischen zwei völlig identisch aussehenden, ist das Haus, in dem ich geboren wurde. Ich schaute Ruth von der Seite an, aber falls sie es
bemerkt haben sollte, so ließ sie sich nichts anmerken. Natürlich gibt es gar keinen Grund, warum ihr das Haus auffallen sollte. Wir fahren schließlich jeden Sonntag daran vorbei.
    Während wir durch die schmale Straße aus dem Dorf hinaus aufs Land fuhren, hielt ich den Atem an – nur ein ganz kleines bisschen –, so wie ich es immer mache.
    Kurz hinter der Bridge Road bogen wir um eine Ecke – und da war es: die Einfahrt von Riverton. Die schmiedeeisernen Tore, hoch wie Laternenmasten, der Eingang zu dem Tunnel aus flüsternden alten Bäumen. Das Tor ist jetzt weiß gestrichen und glänzt nicht mehr silbern wie damals. Neben den schmiedeeisernen Schnörkeln, aus denen man »Riverton« entziffern kann, hängt ein Schild: Für Publikum geöffnet. März – Oktober, 10:00h – 16:00h. Eintritt: Erwachsene 4£, Kinder 2£. Keine Ermäßigung.
     
    Das Bandbesprechen musste ich erst lernen. Zum Glück konnte Sylvia mir helfen. Sie hielt mir das Gerät vor den Mund, und auf ihr Zeichen hin sagte ich die ersten Worte, die mir in

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