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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Morton
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sagte sie. »Ich muss wieder an die Arbeit, sonst steigt Sue mir aufs Dach.« Sie machte sich auf den Weg, kehrte aber noch einmal zurück. »Werden Sie es ihm sagen? Werden Sie ihm ausrichten, wie viel mir und all seinen Fans seine Bücher bedeuten?«
    Ich gab ihr mein Wort, obwohl ich nicht weiß, wann ich die Gelegenheit haben werde, es einzulösen. Wie die meisten seiner Generation bummelt er durch die Weltgeschichte. Im Gegensatz zu seinen Altersgenossen jedoch ist er nicht auf der Suche nach Abenteuern, sondern nach Ablenkung. Er ist in der Wolke seiner Trauer verschwunden, und ich habe nicht die geringste Ahnung, wo er gerade steckt. Das letzte Lebenszeichen von ihm liegt schon Monate zurück: eine Ansichtskarte von der Freiheitsstatue, abgestempelt in Kalifornien mit einem Datum vom letzten Jahr. Der kurze Text: Viel Glück zum Geburtstag. M.
    Nein, es ist nicht einfach nur Trauer. Es sind seine Schuldgefühle, die ihn so rastlos machen. Er gibt sich zu Unrecht die Schuld an Rebeccas Tod. Er glaubt, wenn er sie nicht verlassen hätte, wäre alles anders gekommen. Ich mache mir Sorgen um ihn. Die besondere Art der Schuldgefühle jener, die eine Tragödie überlebt haben, ist mir sehr vertraut.

    Durch das Fenster sah ich, wie Ruth die Straße überquerte; sie hatte sich mit dem Pfarrer und dessen Frau unterhalten und war noch gar nicht in der Apotheke gewesen. Mühsam schob ich mich bis an die Stuhlkante vor, hängte mir meine Handtasche über die Schulter und packte meinen Gehstock. Mit zitternden Beinen stand ich auf. Ich musste etwas erledigen.
     
    Mr Butler, der Kurzwarenhändler, betreibt einen winzigen Laden auf der Hauptstraße, über dem Schaufenster kaum mehr als die Andeutung einer gestreiften Markise, eingequetscht zwischen der Bäckerei und einem Geschäft, in dem man Kerzen und Räucherstäbchen erstehen kann. Aber hinter der roten Holztür mit ihrem glänzenden Klopfring aus Messing und seiner silbernen Glocke straft eine wahre Fundgrube verschiedenster Artikel den bescheidenen Eingang Lügen. Herrenhüte und Krawatten, Schultaschen und Lederkoffer, Kasserollen und Hockeyschläger konkurrieren miteinander um einen Platz in dem engen Raum.
    Mr Butler ist ein kleiner, etwa fünfundvierzigjähriger Mann mit schütterem Haar und, wie ich bemerkte, einem Bauchansatz. Ich erinnere mich noch an seinen Vater und an seinen Großvater, aber das erwähne ich nie. Geschichten von früher bringen die jungen Leute in Verlegenheit. Heute Morgen lächelte er mich über seine Brille hinweg an und machte mir ein Kompliment über mein Aussehen. Als ich noch jünger war, vielleicht so in meinen Achtzigern, hätte meine Eitelkeit mich dazu verleitet, ihm zu glauben. Heute betrachte ich solche Kommentare als Ausdruck des Erstaunens darüber, dass ich immer noch lebe. Ich bedankte mich – immerhin hatte er es gut gemeint – und erkundigte mich, ob er einen Kassettenrekorder habe.

    »Zum Musikhören?«, fragte Mr Butler.
    »Nein, ich möchte etwas auf Band sprechen«, erwiderte ich. »Meine Worte aufzeichnen.«
    Er zögerte, fragte sich wohl, was in aller Welt ich einem Kassettenrekorder zu sagen haben mochte, dann nahm er einen kleinen, schwarzen Gegenstand aus einem Regal. »Dieser hier dürfte Ihren Ansprüchen genügen. Das ist ein Walkman. Alle Kids benutzen die Dinger heutzutage.«
    »Ja«, sagte ich hoffnungsvoll. »Das scheint mir genau das Richtige zu sein.«
    Er muss meine Unerfahrenheit gespürt haben, denn er erklärte mir die Handhabung des Geräts sehr ausführlich. »Es ist ganz einfach. Sie drücken hier drauf und dann sprechen Sie hier rein.« Er beugte sich vor und deutete auf ein Stückchen metallenes Gitter an der Seite des Geräts. Ich konnte den Kampfer an seinem Anzug beinahe schmecken. »Das hier ist das Mikrofon.«
    Ruth war immer noch nicht aus der Apotheke zurück, als ich wieder am Café eintraf. Um weiteren Fragen seitens der Kellnerin zu entgehen, zog ich meinen Mantel eng um mich und setzte mich draußen auf die Bank an der Bushaltestelle. Von der Anstrengung war ich völlig außer Atem.
    Ein kalter Wind fegte lauter vergessene Dinge vor sich her: ein Bonbonpapier, trockenes Laub, eine braun-grüne Entenfeder. Sie tanzten am Straßenrand entlang, blieben liegen und wirbelten dann mit jedem Windstoß ein Stück weiter. Schließlich gewann die Feder einen Vorsprung, wurde von einer kräftigeren Bö erfasst und flog, sich um sich selbst drehend, über die Dächer auf und davon.
    Ich

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