Geheime Spiel
hatte ich von Nancy aufgeschnappt, und ich fragte mich im Stillen, ob wohl etwas Wahres daran war.
Am Ende des Rasens führten breite steinerne Stufen in Lady Ashburys Rosengarten. Fleißige Bienen summten um die gelben Herzen der weißen und rosafarbenen Knospen an den Spalieren.
Ich trat durch das Schwingtor auf den langen, mit grauem Kies bedeckten Weg, auf dem kleine Inseln aus weißem und gelbem Mauerpfeffer blühten. Auf halber Strecke wurden die hohen Buchenhecken von den niedrigen Zwergeiben abgelöst, die den Egeskovgarten säumten. Ich erschrak, als zwei der kunstvoll beschnittenen Sträucher sich plötzlich bewegten, dann musste ich über die beiden grün gefiederten Stockenten lachen, die vom See heraufgekommen waren und mich aufmerksam mit ihren schwarzen Knopfaugen betrachteten.
Am Ende des Egeskovgartens befand sich ein zweites, ganz von Jasmin umranktes Schwingtor, das zum Ikarusbrunnen führte, und dahinter, am Seeufer, lag das Bootshaus.
Die Scharniere waren rostig, und ich musste das Tablett in einem Erdbeerbeet abstellen, um das Tor öffnen zu können. Ich schob es auf, nahm die Limonade und ging durch eine Wolke aus Jasminduft in Richtung Brunnen.
Der große, prächtige Eros-und-Psyche-Brunnen dominierte wie zur Einstimmung auf das herrschaftliche
Haus den vorderen Rasen, aber der kleinere Ikarus-brunnen auf seiner sonnigen Lichtung im südlichen Garten hatte etwas wunderbar Geheimnisvolles und Melancholisches.
Der runde, gemauerte Brunnenrand war ungefähr einen halben Meter hoch, hatte einen Durchmesser von etwa sieben Metern und war am Rand mit winzigen Glasfliesen verkleidet, die so leuchtend blau waren wie die Saphirhalskette, die Lord Ashbury für Lady Violet aus dem Orient mitgebracht hatte. Auf einem hohen, rostroten Marmorblock, der sich nach oben hin verjüngte, lag anmutig hingestreckt eine lebensgroße Ikarusfigur aus cremefarbenem Marmor. An den ausgebreiteten Armen hingen aus hellgrauem Marmor geformte Flügel, die sich an den roten Felsen schmiegten. Drei Meerjungfrauen, deren engelsgleiche Gesichter von langen Locken umrahmt waren, umringten den Gestürzten: Eine hielt eine kleine Harfe, eine andere trug eine Krone aus Efeuranken, und die dritte umfasste Ikarus’ Torso mit ihren weißen Händen, um ihn aus der Tiefe hochzuziehen.
Zwei Schwalben, unempfänglich für die Schönheit der Statue, ließen sich kurz auf dem marmornen Felsen nieder, flogen dann wieder auf und stießen zum Brunnen hinunter, um ihre Schnäbel mit Wasser zu füllen. Während ich sie beobachtete, überkam mich plötzlich ein unwiderstehliches Verlangen, meine Hände in das kühle Wasser zu tauchen. Ich warf einen Blick zurück auf das Haus, dessen Bewohner viel zu sehr mit ihrer Trauer beschäftigt waren, um ein Dienstmädchen zu beachten, das sich am südlichen Ende des Parks ein wenig Abkühlung gönnte.
Ich stellte das Tablett auf dem Brunnenrand ab und stützte vorsichtig ein Knie auf die Fliesen, spürte ihre Wärme durch meine schwarzen Strümpfe hindurch. Dann
beugte ich mich vor, streckte eine Hand aus, zog sie jedoch schnell wieder zurück, als sie das in der Sonne glitzernde Wasser berührte. Ich krempelte meinen Ärmel hoch und streckte erneut den Arm aus, um meine Hand ins kühle Nass zu tauchen.
Plötzlich ertönte ein helles Lachen, das die sommerliche Stille wie Musik durchdrang.
Ich erstarrte. Angestrengt lauschend reckte ich den Hals und lugte hinter die Statue.
Ich erblickte Hannah und Emmeline, die nicht am Bootshaus waren, sondern sich auf der anderen Seite des Marmorfelsens auf dem Brunnenrand räkelten. Mein Schreck war komplett, als ich entdeckte, dass sie ihre schwarze Trauerkleidung abgelegt hatten und nur noch ihre Unterröcke, Schnürmieder und mit Spitze besetzten Unterhosen trugen. Auch ihre Schnürstiefel lagen auf dem weißen Kiesweg, der den Brunnen umgab. Ihre blonden Haare schimmerten im warmen Sonnenlicht. Verwundert über ihre Verwegenheit warf ich einen Blick zum Haus hinüber. Fragte mich, ob ich allein durch meine Anwesenheit in die Sache verwickelt wurde. Mir war dabei nicht klar, ob ich fürchtete oder hoffte, mich zur Komplizin zu machen.
Emmeline lag auf dem Rücken, die Füße zusammen, die Beine angewinkelt, die Knie, so weiß wie ihr Unterrock, dem klaren, blauen Himmel dargeboten, den Kopf auf einen Arm gestützt. Den anderen Arm – weiche, blasse Haut, die sonst nie der Sonne ausgesetzt wurde – hielt sie ausgestreckt über dem Brunnen und
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