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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Morton
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mich, ob Nancys Bewunderung und Hannahs innige Zuneigung nicht unangebracht waren. Vielleicht hatte David recht, als er seinen Vater als kleingeistigen, verbitterten Mann beschrieben hatte.
    »Irgendwelche Nachrichten von David?«, fragte Lord Gifford.
    Als ich Mr Frederick gerade seinen Tee reichte, machte er eine abrupte Bewegung mit dem Arm, sodass die Tasse umkippte und der dampfende Tee sich auf den türkischen Teppich ergoss.
    »Oh!«, stieß ich hervor und spürte, wie ich erbleichte. »Verzeihen Sie, Sir.«
    Er starrte mich an, als suchte er nach etwas in meinem Gesicht. Dann öffnete er den Mund, um etwas zu sagen, besann sich jedoch eines anderen.
    Plötzlich schnappte Jemima hörbar nach Luft und zog die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich. Wortlos legte sie beide Hände auf ihren prallen Leib.
    »Was ist?«, fragte Lady Violet.
    Jemima, wie in stummer Kommunikation mit ihrem Baby in sich hineinhorchend, reagierte nicht. Den Blick ins Leere gerichtet, befühlte sie ihren Bauch.
    »Jemima?«, sagte Lady Violet noch einmal, ihre Stimme noch eisiger, als die Trauer sie schon gemacht hatte.

    Jemima neigte den Kopf, als würde sie lauschen. Dann flüsterte sie kaum hörbar: »Er hat aufgehört, sich zu bewegen. « Ihr Atem ging stoßweise. »Die ganze Zeit hat er gestrampelt, aber jetzt bewegt er sich nicht mehr.«
    »Du musst dich hinlegen und ein bisschen ausruhen«, sagte Lady Violet. »Das ist diese unselige Hitze.« Sie schluckte. »Diese unselige Hitze.« Sie schaute sich wie auf Bestätigung wartend um. »Die Hitze und …« Kopfschüttelnd presste sie die Lippen zusammen, unwillig oder vielleicht auch unfähig, den Satz zu Ende zu bringen. »Das ist alles.« Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen, richtete sich auf und fügte mit fester Stimme hinzu: »Du musst dich ausruhen.«
    »Nein«, erwiderte Jemima mit zitternder Unterlippe. »Ich möchte hier sein. Für Jonathan. Und für euch.«
    Lady Violet nahm Jemimas Hände, zog sie von ihrem Bauch weg und hielt sie fest. »Das weiß ich.« Schüchtern streichelte sie ihr mausbraunes Haar. Es war eine einfache Geste, aber sie erinnerte mich daran, dass auch Lady Violet eine Mutter war. Ohne mich anzusehen sagte sie: »Grace, hilf Jemima die Treppe hinauf, damit sie sich ausruhen kann. Lass nur alles liegen. Hamilton wird sich darum kümmern.«
    »Ja, Mylady.« Ich knickste, ging zu Jemima hinüber und half ihr auf die Beine, froh, dem Zimmer und der traurigen Stimmung zu entkommen.
    Auf dem Weg hinaus, Jemima am Arm, fiel mir auf, was abgesehen von der Dunkelheit und der Hitze noch anders war am Salon: die Uhr auf dem Kaminsims, die normalerweise unerbittlich jede Sekunde zählte, war stehen geblieben. Ihre schlanken schwarzen Zeiger waren auf Lady Ashburys Anweisung um zehn vor fünf, dem Augenblick, als ihr Gatte gestorben war, angehalten worden.

Der Sturz des Ikarus
    N achdem ich Jemima auf ihr Zimmer begleitet hatte, ging ich zurück in den Dienstbotentrakt, wo Mr Hamilton gerade dabei war, die Töpfe und Pfannen zu inspizieren, die Katie geschrubbt hatte. Er blickte von Mrs Townsends Lieblingskasserolle auf, um mir mitzuteilen, die Hartford-Schwestern seien unten am alten Bootshaus und ich solle ihnen einen kleinen Imbiss und Limonade bringen. Von dem verschütteten Tee hatte er zum Glück noch nichts gehört. Ich holte eine Kanne Limonade aus dem Kühlraum, stellte sie zusammen mit zwei hohen Gläsern und einem Teller mit Sandwiches auf ein Tablett und machte mich auf den Weg.
    Auf der obersten Treppenstufe blieb ich stehen, bis meine Augen sich an das grelle Licht gewöhnt hatten. Nach einem Monat ohne Regen waren alle Farben ausgeblichen. Die Sonne stand hoch am Himmel und verlieh allem einen goldenen Schimmer, sodass die Farben ineinanderflossen wie auf den Aquarellen, die in Lady Violets Boudoir hingen. Zwar trug ich eine Haube, aber sie bedeckte meinen Scheitel nicht, und ich spürte sofort, wie die Sonne auf der bloßen Haut brannte.
    Ich überquerte den frisch gemähten Rasen, der den einschläfernden Duft von trockenem Gras verströmte. In der Nähe hockte Dudley und beschnitt die niedrigen
Hecken. Seine mit grünem Saft beschmierte Schere blitzte hin und wieder im Licht auf.
    Anscheinend hatte er meine Anwesenheit gespürt, denn er drehte sich um, hielt sich schützend eine Hand über die Augen und sagte: »Verflixt heiß heute.«
    »So heiß, dass man auf den Eisenbahnschienen Spiegeleier braten könnte«, erwiderte ich. Den Kommentar

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