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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Morton
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Sekretärs. Und es kam vor – jetzt, wo Nancy fort war, sogar häufiger –, dass ich den Salon allein sauber machte. Wenn ich mich vergewisserte, dass alle anderen beschäftigt waren, und wenn ich mich beeilte, würde es sicherlich nicht so schwierig sein, einen Blick auf das Foto zu werfen. Vielleicht würde ich es ja wirklich wagen.
    »Warum ist sie nicht nach Riverton zurückgekommen? «, fragte Hannah. »Ich meine, nach deiner Geburt? «
    »Es ging nicht, Miss. Nicht mit einem Kind.«
    »Ich bin sicher, dass Großmama schon mal eine Familie im Haushalt hatte.« Sie lächelte. »Stell dir bloß mal vor: Wir hätten uns schon als Kinder kennengelernt, wenn sie zurückgekommen wäre.« Stirnrunzelnd blickte sie über den Brunnen hinweg. »Vielleicht war sie ja auch unglücklich hier und wollte gar nicht zurückkommen. «
    »Das weiß ich nicht, Miss«, sagte ich. Seltsamerweise machte es mich verlegen, mit Hannah über meine Mutter zu reden. »Sie spricht kaum darüber.«

    »Ist sie irgendwo anders in Stellung?«
    »Sie übernimmt Flickarbeiten, Miss. Im Dorf.«
    »Sie arbeitet selbstständig?«
    »Ja, Miss.« So hatte ich das noch nie gesehen.
    Hannah nickte. »Das ist bestimmt befriedigender.«
    Ich sah sie an, unsicher, ob sie sich über mich lustig machte. Aber ihr Gesicht war ernst. Nachdenklich.
    »Ich weiß nicht, Miss«, stotterte ich. »Ich … Ich besuche sie heute Nachmittag. Ich könnte sie fragen, wenn Sie möchten.«
    Sie wirkte kurz, als wäre sie mit ihren Gedanken ganz weit weg. Dann schaute sie mich an, und ihr Blick hellte sich auf. »Nein, es ist nicht wichtig.« Sie befühlte Davids Brief, der immer noch in ihrem Unterhosenbund steckte. »Hast du von Alfred gehört?«
    »Ja, Miss«, sagte ich, erleichtert über den Themenwechsel. Alfred war ein weitaus weniger gefährliches Terrain. Er gehörte zu der Welt von Riverton. »Er hat mir letzte Woche geschrieben. Er bekommt im September Fronturlaub. Das hoffen wir jedenfalls.«
    »September«, wiederholte sie. »Das ist ja schon bald. Du freust dich sicher, ihn wiederzusehen.«
    »O ja, Miss, sehr sogar.«
    Hannah lächelte vielsagend, und ich errötete. »Was ich meinte, Miss, wir freuen uns alle, wenn er wieder bei uns ist.«
    »Natürlich, Grace. Alfred ist ein netter Kerl.«
    Meine Wangen glühten. Denn Hannah hatte richtig vermutet. Zwar schrieb Alfred nach wie vor an alle Dienstboten, aber es kamen immer mehr Briefe an, die nur an mich adressiert waren. Auch der Inhalt der Briefe änderte sich. Anstatt von den Kriegshandlungen zu berichten, schrieb er häufiger von zu Hause und anderen geheimen Dingen. Schrieb, wie sehr ich ihm fehlte, wie
sehr er mich mochte. Die Zukunft … Ich blinzelte. »Und Master David, Miss?«, sagte ich. »Wird er bald nach Hause kommen?«
    »Er meint, dass er im Dezember kommen kann.« Sie befühlte ihr Medaillon, warf einen Blick zu Emmeline hinüber und flüsterte: »Weißt du, ich habe das Gefühl, dass das sein letzter Besuch bei uns sein wird.«
    »Miss?«
    »Jetzt, wo er von hier weggekommen ist, Grace, wo er die Welt gesehen hat … Na ja, er hat doch jetzt ein ganz neues Leben kennengelernt, oder? Ein richtiges Leben. Der Krieg wird enden, und David wird in London bleiben und Klavierunterricht nehmen und ein berühmter Musiker werden. Ein aufregendes und abenteuerliches Leben führen, genau so, wie wir es früher immer gespielt haben …« Sie blickte an mir vorbei zum Haus hinüber, und ihre Miene verdüsterte sich. Dann seufzte sie. Ein lang anhaltendes Ausatmen, das sie in sich zusammensinken ließ. »Manchmal …«
    Das Wort hing zwischen uns, träge und schwer, während ich vergeblich darauf wartete, dass sie den angefangenen Satz beendete. Da ich nicht wusste, was ich sagen sollte, tat ich, was ich am besten konnte. Ich schwieg und schüttete den Rest Limonade in ihr Glas.
    In dem Moment blickte sie zu mir auf. Reichte mir ihr Glas. »Hier, Grace. Trink du das.«
    »O nein, Miss. Vielen Dank, Miss. Ich habe keinen Durst.«
    »Unsinn«, erwiderte Hannah. »Deine Wangen sind fast so rot wie Emmelines. Hier.« Sie hielt das Glas noch immer in der ausgestreckten Hand.
    Ich schaute zu Emmeline hinüber, die gelbe und rosafarbene Blütenblätter in den Brunnen warf. »Wirklich, Miss, ich …«

    »Grace«, unterbrach sie mich mit gespielter Strenge. »Es ist heiß, und ich bestehe darauf.« Ich nahm das Glas entgegen. Es fühlte sich verführerisch kühl an. Ich hob es an die Lippen. Ein kleiner Schluck

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