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Geheime Tochter

Geheime Tochter

Titel: Geheime Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shilpi Somaya Gowda
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suchen dir was Hinreißendes für die Hochzeit aus. Strikte Anweisung von Dadima.«
    Dreißig Minuten später betreten sie den Sari-Laden, und Asha ist dankbar, Priya an ihrer Seite zu haben. Als ihre Cousine den Fahrer mit der Anweisung wegschickte, in zwei Stunden wiederzukommen, war Asha verdutzt, doch jetzt wird ihr klar, warum das hier einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Der ganze Laden ist ringsum mit deckenhohen Regalen gesäumt, in denen sich Tausende Saris in allen erdenklichen Farbschattierungen und Stoffen stapeln – ein Regenbogenwunderland. Das Angebot beschränkt sich auf Frauenmode, doch die Angestelltensind ausschließlich Männer. Einer von ihnen spricht sofort Priya an, als hätte er gleich erkannt, wer bei dieser Expedition das Sagen hat. Er deutet auf leuchtende Stoffballen in den Regalen und redet pausenlos, wie ein Auktionator, bis Priya eine Hand hebt und ihn zum Schweigen bringt. Dann erteilt sie ein paar knappe Anweisungen und übernimmt die Führung durch das überwältigende Angebot.
    » Kanjeevaram bathau. Nai, chiffon nai. Tissue silk layavo! Pistaziengrün, pastellfarben?« Während Priya ihre raschen Befehle erteilt, faltet der Mann hinter der Theke die vor ihnen aufgehäuften Seidenstoffe auseinander, deutet auf die kunstvollen Borten hin, die mit aufwendigen Paisleymustern und Pfauenmotiven in Gold- oder Silberfäden verziert sind. Asha sieht jeden Sari nur ein paar Sekunden, ehe er wieder unter dem nächsten vergraben wird. Sie schnappt hin und wieder ein Wort auf, lauscht staunend den Schnellfeuersalven zwischen ihrer Cousine, dem Mann hinter der Theke und zwei weiteren Verkäufern, die immer wieder in die hinteren Teile des Ladens verschwinden, um mit einem Arm voll neuer Saris wiederzukommen.
    Niemand fragt Asha nach ihrer Meinung, aber sie könnte ohnehin keine vorbringen. Ein weiterer Verkäufer kredenzt ihnen warmen duftenden chai in Edelstahlbechern, und Asha, die ihre Nebenrolle akzeptiert hat, beschäftigt sich damit, abwechselnd an ihrem Tee zu nippen und auf ihn zu pusten, damit sich auf der Oberfläche keine Haut bildet. Immer mal wieder schaut sie sich im Laden um, wo alle paar Meter eine Schaufensterpuppe mit schwarzer Hochfrisur und Katzenaugen in vollkommener Haltung steht und auf einem anmutig ausgestreckten Arm ihren Sari hält. Laut Ashas Recherchen ist der Saridas typische Kleidungsstück für Frauen in ganz Indien, ein fünf bis sechs Meter langes rechteckiges Tuch, das um den Körper gewickelt wird und ohne einen einzigen Knopf, Haken oder Reißverschluss auskommt. Er lässt sich auf zahlreiche Arten wickeln, je nach Region, und eine Größe passt allen Frauen, ob sie groß oder klein sind, dick oder dünn. Das alles hörte sich für Asha, als sie darüber las, sehr demokratisch an, aber die lächelnden Schaufensterpuppen schüchtern sie jetzt doch irgendwie ein.
    Schließlich wendet Priya sich ihr zu und sagt: »Okay, Asha, ich habe eine kleine Auswahl getroffen. Sag mir, ob dir einer von diesen hier gefällt.« Als Asha auf die Glastheke blickt, sieht sie, dass die meisten Saris zu einem großen Haufen beiseitegeschoben worden sind und nur noch zwei vor ihr liegen. »Der hier ist aus Tissueseide«, erklärt Priya und zeigt ihr ein pergamentartiges blassgrünes Bündel mit zarter goldener Perlenstickerei. »Tissueseide ist der neuste Schrei. Sehr modern. Wenn du so was trägst, darfst du einfach nicht mollig sein, dafür ist es zu bauschig. Du musst gertenschlank sein«, sagt sie und streckt einen kleinen Finger hoch. »Diese Farbe würde dir wunderbar stehen.« Sie hält Asha den Sari vor die Brust.
    »Er ist wunderschön.« Asha fragt sich, ob sie gertenschlank genug ist, um diesen Sari zu tragen.
    »Und der hier ist traditioneller, sehr elegant«, sagt Priya und fährt mit der Hand über einen tiefgoldfarben schimmernden Sari mit einer dunkelrot-goldenen Borte. »Er glänzt ein wenig. Gut für spätabends. Die Seide ist etwas glatt, aber wir können sie feststecken. Dazu könntest du ein Chokerband mit Gold und Rot darin tragen. Dadima hat genau das passende.«
    Asha stellt sich vor, wie die gut sechs Meter lange, glatte, goldene Seide ihr vom Körper gleitet und um ihreFüße landet. »Ich weiß nicht, Priya. Die sind wirklich sehr schön, aber … ich habe noch nie einen Sari getragen«, gesteht Asha leise. »Ich glaube nicht, dass ich das kann.« Sie deutet hilflos auf die Schaufensterpuppe ein paar Schritte entfernt. »Könnte ich nicht irgendwas

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