Geheimes Verlangen
schön, von ihr gehalten zu werden. Er kommt tief in ihr, verharrt dort eine kleine Ewigkeit, bevor das Sperma ungestüm aus ihm herausschießt – ein Sternenregen, der ihm sekundenlang die Sinne raubt.
Sie setzt sich keuchend auf sein noch steifes Glied, wischt sich Speichel von den Lippen. Er blinzelt halb betäubt, halb staunend in den strahlenden Himmel. Er spürt wie sein von Sekreten ummantelter Schwanz langsam in sich zusammensinkt, sich in einem dunklen Bett aus Haaren und feuchtem Fleisch zusammenkuschelt. Er liegt jetzt mit seitlich geöffneten Armen da, befingert die verirrte Orange. Er zeigt ihr die Frucht, doch sie schüttelt nur den Kopf und seufzt: »Nein, nein.«
Er isst sie selbst, liegt an diesem sonnigen Nachmittag entspannt im Gras – während Amseln vorbeifliegen -, seine Handflächen und Finger sind wie ein Obstgarten, wie ein Buschfeuer. Sie liegt schläfrig neben ihm, erkundet die Wolkenformationen, versucht, darin etwas zu erkennen; sie spürt ihn noch immer in sich, spürt, wie der Nachhall der Ekstase in ihr langsam verebbt.
A ls er weg ist, findet sie auf dem Boden ein Härchen, das sich wie ein Violinschlüssel gekringelt hat. Sie sitzt, mit dem Rücken an die Wand gelehnt, auf dem Fliesenboden, und betrachtet das feine Gebilde in ihrer Hand, das von einer Kraft bewegt wird, die so schwach ist, dass sie nichts davon spürt, vielleicht von ihrem Atem, ihrem Herzschlag, dem Pulsieren des Blutes unter ihrer Haut. Das Haar ist hellbraun – so wie er. Es regt sich wie ein Knoten, der sich löst, liegt zitternd und bebend auf ihrer Hand. Sie muss daran denken, wie er gezittert hat, als er zum ersten Mal hier erschienen war. Inzwischen ist es damit fast vorbei. Inzwischen ist er mit dem Haus vertraut – ja, sie sind sogar beide ganz angetan von der Idee, dass das Haus ihn mag -, außerdem ist er mittlerweile mit ihr vertraut und mit der schwarzen Straße, die zu ihr heraufführt. Er kennt sich in den Küchenschränken aus, holt sich selbst ein Glas Wasser, wenn ihm danach ist, und weiß, wie fest er die Wasserhähne zudrehen muss. Er wandert allein durch die Zimmer, und seine anfängliche Scheu ist so gut wie verschwunden. Nur dieses verirrte Härchen zittert noch.
Erst vor ein, zwei Stunden war er in ihr Arbeitszimmer gegangen, um sich ihre Bibliothek anzuschauen. Sie überlegt, ob er wohl noch weiß, dass er von allen Räumen in ihrem Haus zuerst das Arbeitszimmer allein betreten hat. An diesem Nachmittag hat sie ihn – merkwürdig nervös – dabei beobachtet, wie er kommentarlos die Buchrücken inspizierte. Bislang hat er mit seiner Meinung noch nie hinter dem Berg gehalten – wenn ihm etwas nicht passt, äußert er ganz offen Kritik. Und in ihren Regalen stehen wirklich nicht irgendwelche, sondern nur ausgewählte Bücher, da sie nur die behält, die ihr am Herzen liegen, alle übrigen hingegen gnadenlos in den Mülleimer knallt. Hätte er sich verächtlich über einen Titel geäußert, wäre ihre Sympathie für das betreffende Buch gewiss ins Wanken geraten, ein kleiner Todesfall in der so sorgfältig ausgewählten Sammlung. Aber er hat gar nichts gesagt, lediglich mit der Hand auf einem Buchrücken eine Gravur betastet, dann zur Seite geblickt und ihr zugelächelt.
Sie hatte das Lächeln dieses Mannes erwidert, der sie kennt, der ihr Haus, ihren dunklen Schoß kennt, der ihr jedoch zuletzt manchmal irgendwie fremd erschienen ist – wie jemand, der sich mit jedem Schritt, den er näher tritt, ein Stück weiter entfernt. Sie beobachtet ihn wie durch ein Kaleidoskop, dessen Facetten durch die eigentümlichen Erfahrungen gefärbt sind, die sie aus der Vergangenheit mitbringen, die aber auch davon künden, woher er gekommen ist und wohin es ihn zieht. Sie hat das Gefühl, dass er vor kurzem einen Entschluss gefasst hat, dass für sie schon bald kein Platz mehr in seinem Leben sein wird. Deshalb fühlt er sich schuldig – zeigt sich zugeknöpft und mürrisch, kühl und häufig verärgert. Vielleicht ist er aber auch verärgert über das, wofür er sich entschieden hat: eine Zukunft, die keine Überraschungen bereithält. Vermutlich hat er sich sein Leben so nicht vorgestellt: ein bereits geschriebenes – schlimmer noch, ein schon gelesenes – Buch.
Oder vielleicht bildet sie sich das alles auch nur ein: ganz auf sich gestellt, sieht sie sich bisweilen von Gespenstern des Zweifels umringt. Schwer zu sagen, ob ihre Gefühle wirklich berechtigt oder bloß eine unschöne
Weitere Kostenlose Bücher