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Geheimes Verlangen

Geheimes Verlangen

Titel: Geheimes Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Redfern
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aber nun einmal so …, daran kannst du nichts ändern, also werden sie sich auch nicht verändern. Fang nicht immer wieder davon an.«
    Er ist der gravierendste Fehler, den sie sich seit langem geleistet hat. Alle hatten sie gewarnt, und es hatte nicht einmal daran gelegen, dass sie den anderen nicht geglaubt hätte. Jeder verliert einmal: und du am meisten von allen. Du wirst im Schatten leben, ganz unten auf der Liste: Du wirst das Erste sein, was er opfert. Sie ist ja nicht dumm. Sie hat alles so kommen sehen. Aber sie hat damals am Anfang vieles nicht gekannt: die kleinen Dinge, die ihn in ihren Augen so liebenswert erscheinen lassen – das herzhafte Lachen, die kindliche Vorliebe für Schokolade, seine Gewohnheit, ihr lustige Namen zu geben, der Stolz, mit dem er betrachtet, was sie tut. Wenn sie ihn aufgibt, wird dieser Verlust eine tiefe, tiefe Spur in ihr zurücklassen. Sie wird seinen Geruch vermissen, die warme Berührung seiner Hände. Sie wird den beschleunigten Schlag ihres Herzens in den Stunden vor seiner Ankunft vermissen, die Befangenheit, die sich immer noch einstellt, wenn sie sich an der Tür gegenüberstehen. Sie wird den unfehlbaren Blick vermissen, mit dem er alles Neue, aber auch jede Neuanordnung der bereits vertrauten Dinge im Haus sofort bemerkt. Sie wird das Geräusch vermissen, das entsteht, wenn er ihr das Hemd über den Kopf streift, seine Hüften, die sich zwischen ihre Schenkel drängen, die Stöße, mit denen er tief in sie eindringt. Sie wird sein Flüstern vermissen, seine Arme, die sie halten; sie wird es vermissen, neben ihm zu liegen, ihn dabei zu beobachten, wie er zur Decke hinaufschaut, das Gefühl der Trauer, das sich einstellt, wenn sie Zeuge wird, wie seine Sorgen sich auf seiner Stirn abzeichnen. Sie hat ihn übermütig und lustig, hart und mürrisch, unbeholfen und verspielt erlebt. Er ist für sie wie ein Papierkranich gewesen, kostbar und kompliziert, zusammengefaltet, aber auch entfaltbar. Am liebsten würde sie zu ihm sagen, dass sie auch weiterhin für ihn da sein wird: irgendwo, selbst wenn sie fort ist, dass er sie jederzeit wiederfinden kann; dass sie ihn stumm leidend ewig vermissen wird. »Erzähl mir einen Witz«, sagt sie, weil er gern Witze erzählt und weil sie nicht länger sehen möchte, was sie gerade sieht.
    Er beschleunigt seinen Schritt, um sie einzuholen und neben ihr zu gehen. Er denkt einen Augenblick ernst nach, fragt dann: »Warum konnte Johnny nicht Fahrrad fahren?«
    Sie hat den Stock, der Hund tollt um ihre Füße herum. »Warum?«
    »Weil Johnny ein Fisch ist.«
    Sie lacht spöttisch, wirft den Stock weg und rümpft die Nase. »Das ist doch kein Witz.«
    Ihre Bemerkung scheint ihm nichts auszumachen. »Das ist ein Witz für Intellektuelle. Hätte mich auch gewundert, wenn du ihn verstehst.«
    »Du bist ein Idiot«, sagt sie, und er antwortet: »Ich weiß, dass du das bist, aber was bin ich?«
    Sie lacht, schüttelt den Kopf. Der Hund entsteigt derweil wie ein Drache den Fluten, den Stock triumphierend zwischen den Zähnen. Plötzlich schleicht sich eine Ausreißerwelle heran, und sie steht mit ihren Stiefeln unversehens mitten im Wasser, springt kreischend zur Seite. Er sieht sie immer noch lächelnd an, scheint sich über seinen eigenen Witz ebenso zu freuen wie über den ganzen Tag. Er macht auf den Absätzen kehrt und inspiziert die Wegstrecke, die sie bereits zurückgelegt haben, sieht die deutlichen Fußabdrücke, die sie im Sand zurückgelassen haben.
     
    …, und er sitzt an seinem Schreibtisch, reibt sich die Augen und überlegt, wohin ihr Weg sie – ihn und sie – von nun an wohl führen mag.

E r bedeckt mit der Hand ihr Gesicht. »Mach die Augen auf. Schau mich an.«
    Sie öffnet die Augen und sieht ihn an. Ihre Augen sind nicht blau, sondern hellbraun, mit grüngrauen Sprenkeln: eine Farbe, der die letzte Vollkommenheit fehlt. Er sagt ihr nie, dass sie hübsch ist; er ist sich nicht einmal sicher, ob er sie überhaupt hübsch findet. Er weiß, dass er nicht wegen ihres Aussehens hier ist. Er umschwirrt sie nicht wie eine Motte das Licht, hoffnungslos betört von der Leuchtkraft ihrer Schönheit. Wenn er sie genau betrachtet, erkennt er sogar mehr als einen Fehler: Trotzdem ist er von ihr fasziniert, so rastlos wie unerbittlich. Sie ist immer und überall in seinen Gedanken. Er möchte mit den Fingerspitzen seine winzigen Spiegelbilder berühren, die in ihren pechschwarzen Pupillen zittern. So nahe möchte er ihr sein – in

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