Geheimes Verlangen
über den Kopf. Das Daunenbett senkt sich wie eine Wolke über sie herab, umschließt sie wie eine warme Höhle. In seinem Privathimmel würde sie die Rolle des Teufelchens übernehmen, dann muss er immer wieder nervös nach ihr Ausschau halten. Sie sitzt rittlings auf seinem Becken und besorgt es ihm, bis beide erschöpft sind, bis sie – wie eine Katze im Dunkeln – zu schreien anfängt.
D ie Droge, die sie genommen haben, wirkt wie ein Wahrheitsserum. Sie sitzt im Schneidersitz auf dem Bett und legt Karten. Er sitzt hinter ihr, ein paar Kissen im Rücken, und stützt sie mit seinen angewinkelten Beinen. Er bürstet ihr Haar mit einer kleinen Plastikbürste. Zwischendurch teilt er ihre Locken mit den Fingern und presst seine Lippen gegen die weichen Härchen in ihrem Nacken. Dort ist noch ein Überbleibsel des Sommers zu erkennen, eine halbmondförmige Bräunung zwischen Haaransatz und dem Saum ihres T-Shirts. Als er die mit Sommersprossen übersäte Haut in ihrem Nacken küsst, kommt es ihm vor, als ob er etwas empfindet, was zuvor noch niemand in dieser Weise erfahren hat. Sein Herz schlägt rasch, obwohl er äußerlich ganz ruhig ist; doch im Innern ist er hellwach und erregt, spürt einen diffusen Anflug von Angst.
Die Karten liegen kreuz und quer auf dem krausen Plumeau. Sie dreht eine um, mustert dann die wackelige Reihe. »Bitte kitzle mir den Rücken«, sagt sie.
Er streichelt zärtlich ihren Nacken. »Nein«, antwortet er dann mit geschlossenen Augen.
»Bitte«, sagt sie. »Niemand kitzelt mir den Rücken.«
Er wirft die Haarbürste seitlich aus dem Bett, hört, wie sie auf dem Boden aufschlägt. Dann schlingt er seine Arme um sie, presst seine Arme gegen ihren Brustkorb. Der Kartenfächer in ihrer Hand fällt zusammen, aber sie erhebt keinen Protest. Sie lässt den Blick über die Kartenreihen schweifen, die sie bereits ausgelegt hat, bemerkt, dass sie einen Fehler gemacht hat. »Ich bin ganz allein«, fährt sie geistesabwesend fort. »Kein Mensch kitzelt mir den Rücken.«
Sie trägt Blau, nur ein dünnes Leinenhemd, obwohl es im Zimmer, genau wie draußen, ziemlich kühl ist. Er hat einen bunten, weiten Bademantel an, der wie die Robe eines Königs nur einen Blick auf die Hände gestattet. Er lässt eine Hand an ihrem Rücken hinuntergleiten, streichelt zärtlich ihre Rippen. Ihre Wirbelsäule erinnert ihn an einen Fisch. Er betastet die weichen Fettpolster auf ihren Hüften, dabei hat sie in letzter Zeit sogar abgenommen. Die Blenden der Lamellenjalousie klappern im kühlen Luftzug; bernsteinfarbene Blätter fallen von den Bäumen. Er hat ihr das herzförmige Skelett eines Kirschbaumblatts geschenkt, dessen fein gewirkte Rippen an das Luftbild einer Stadt erinnern. Dass ihr das Blatt gefallen würde, hat er gleich gewusst und sich gefreut, dass sich diese Annahme bewahrheitet hat. Als er ihre Flanken zärtlich berührt, antworten sie sofort mit einer Gänsehaut. Ohne nachzudenken, sagt er: »Du nutzt mich aus.«
Sie nimmt die Karten auf, die sie vor sich auf dem Bett ausgebreitet hat, und legt sie zu einem ordentlichen Stapel. »Wie meinst du das?«
»Meine freundliche Wesensart«, sagt er. »Du machst dir meine freundliche Art zunutze.«
Sie lächelt schwach in sich hinein. »Warum auch nicht?«
»Du machst dir den Umstand zunutze, dass ich nur ein schwacher Mann bin.«
Eine überraschende Mitteilung, über die er selbst auch nicht wenig erstaunt ist. Er wartet neugierig auf ihre Antwort. Es dauert eine ganze Weile, bis sie etwas erwidert. Am liebsten würde er sie fragen: Hat es dir die Sprache verschlagen? »Sagst du das, um mich zu verletzen?«, fragt sie.
Seine Finger gleiten an ihrer Wirbelsäule entlang. »Du willst mich verletzen, richtig? Das ist doch schon die ganze Zeit deine Absicht gewesen!«
Sie zuckt gleichgültig mit den Schultern. »Warum sollte ich dich verletzen wollen?«
»Damit du mir alles nehmen und mich ohne alles sitzen lassen kannst. Du bist wie ein Hundebiss, ein Vampir, du bist eine Blut saugende Fledermaus.«
Sie ist nicht so leicht eingeschnappt: Deshalb nimmt sie an, dass er soeben ausgesprochen hat, was er für wahr hält. Natürlich sieht er die Welt völlig anders, als sie sich ihr darstellt. »Ich habe dir immer gesagt – von Anfang an: Wenn du deine Freiheit willst, bitte …«
»Wie anständig, wie verdammt nobel von dir. Wenn ich frei bin, bist du weg.«
Seine Liebkosungen lassen sie erschaudern. »Aber das wäre dir doch ganz recht: dass ich
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