Geheimes Verlangen
vital, blutrünstig. Er hält mit den Armen ihre Brust umklammert, spürt, wie ihr ganzer Körper vibriert: In schaudernden Stößen verspritzt er sein Sperma, begleitet ihr Geheul, klammert sich daran fest, folgt ihm durch alle Nuancen.
»Halt mich fest«, flüstert er. »Halt mich fest«, und sie tut es tatsächlich. Sie legt ihm die Arme um die Taille und zieht ihn an sich. Die blauen Flecken von seinen Bissen an ihrem Hals und an ihrer Schulter tun weh.
Es dauert Minuten, bis er sich wieder gefangen hat, bis er sein Gewicht, das auf ihr lastet, verlagert und sich auf die Ellbogen stützt. Seltsamerweise kann er sie nicht ansehen. »Ich hoffe, ich habe dich nicht verletzt.«
»Nein.« Sie bemerkt seine Scheu, streicht ihm das Haar aus der Stirn. Ihr Rücken hat sich auf dem Teppichboden wundgescheuert, ihre Handgelenke fühlen sich merkwürdig taub an, aber ernstlich verletzt, nein, das ist sie nicht. Ja, sie möchte sogar kichern, im Zimmer herumhüpfen, auf das Bett springen, ihn hundertmal küssen. »Danke«, sagt sie.
»Nun ja«, sagt er. »Das Vergnügen lag wohl eher auf meiner Seite«, aber er lacht nicht, lächelt nicht einmal. Vielmehr ist er von tiefer Traurigkeit erfüllt – ein Zustand, den er schon so lange kennt. Er lässt sich auf die Fersen sinken, tastet nach seinem Gürtel. Er braucht jetzt unbedingt eine Tasse Tee, möchte so rasch wie möglich den gewohnten Gang der Dinge wieder aufnehmen.
I m Hochsommer setzt sie sich hin und schreibt eine Geschichte, die ihn an seinem Schreibtisch gewiss abkühlen wird.
Er hatte nicht erwartet, am Strand jemanden anzutreffen, erst recht nicht sie. Es ist kalt draußen, der erste beißend kalte Tag des Jahres. Sie trägt einen Hut und einen dicken Wintermantel und sieht ganz anders aus als sonst. Die Sache zwischen ihnen war eine Sommergeschichte, obwohl er erst in diesem Augenblick wirklich begreift, wie sehr dies der Fall ist. Schwüle Nachmittage, die Hitze steigt flimmernd von den Fußwegen auf, der Türknopf fühlt sich ganz warm an: Immer hat die Sonne auf sie herab geschienen. Sie haben so oft auf dem Bett gelegen, auf dem Boden, auf der Gartenbank: kaum je unter einer Decke. Er ist es nicht gewohnt, sie in schwerer Kleidung zu sehen, sicher am Boden verankert. Aus dieser Entfernung erscheint sie wie eine andere; doch er ist froh, dass sie nicht zu frieren braucht. Er ist froh, dass sie es ist.
Das würde er sagen, falls jemand ihn fragen sollte: Er habe nicht erwartet, an einem solchen Tag jemandem am Strand anzutreffen. Der Wind ist eisig, und die grauen Wolken schieben sich in elend am Himmel entlang. Möwen schweben über dem Wasser, gescheckte Flügel von kräftigen Böen getragen. Am Horizont zieht in stoischer Ruhe ein Lastschiff seine Bahn. Genau der richtige Tag für Depressionen, das richtige Wetter für einsame Herzen. Doch sie schreitet mit großen Schritten unbeirrt dahin, während er trödelt. Hinter ihr erscheinen wie an einer Kette aufgereiht die Abdrücke, die ihre Stiefel im Sand hinterlassen. Ihr Hund trottet vorneweg, hat es eilig, ihn als erster zu begrüßen, die Schnauze von Gischtwasser glitzernd.
Als sie sich gegenüberstehen, lächelt er. »Komisch, dich hier zu sehen.«
Sie hat die Hände in die Taschen gesteckt, zu kalten Fäusten geballt. Sie trägt einen schwarzen Hut, auf dem ein paar silbrige Sandkörner zu erkennen sind. Unter der hochgeklappten Krempe blickt sie fragend zu ihm hinauf. »Aber du hast mich doch hergebeten.« Sie betrachtet die graue See. »Verdammt kalt hier. Fast wie in einem dieser blöden Bergman-Filme.«
Er hat das Gefühl, er muss diese Landschaft verteidigen, die er liebt. »Trotzdem ist es hier wundervoll – der Strand bei diesem Wetter.«
»Ja.« Sie zuckt mit den Achseln, oder jedenfalls glaubt er das. Unter dem Hut und dem Mantel ist kaum etwas von ihr zu sehen. Er kann sich ihre nackten, braunen Füße in diesen schweren Stiefeln gar nicht vorstellen. »Richtiges Schiffsuntergangswetter«, sagt sie. »Echt gut.« Sie hat ihm nie recht klarmachen können, dass sie selbst ein winterlicher Typ ist – dass sie schon immer eine Schwäche für kräftige Windböen gehabt hat, dass sie die Küste eigentlich nur mag, wenn das Meer aufgewühlt ist, der Strand ein endloser Streifen goldgelber Farben. Für ihn ist sie ein reines Lichtund Sonnengeschöpf, doch das ist ganz und gar nicht der Fall. Wenn überhaupt etwas, ist sie Erde, Kohle, Regen. Sie weiß noch, wie ihr Onkel in den
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