Geheimnis der Leidenschaft
hatten, wie viel Pech sie hatten, wie viele schlechte Menschen es gab und wie unfair die Welt war, die ihnen nicht all das schenkte, was sie sich ersehnten. Das waren die Menschen, deren Gesellschaft Rio mied.
Die anderen Menschen - solche wie Hope, die sich das Herz aus dem Leib arbeiteten für einen Traum und die nicht jammerten, wenn es schwierig wurde -, das waren die Men-schen, zu denen sich Rio hingezogen fühlte, so unvermeidlich, wie sich der Regen zu dem durstigen Boden hingezogen fühlt. Das waren die Menschen, denen er half, deren Träume er für kurze Zeit teilte, denen er gab, was er konnte, und von denen er im Gegenzug das nahm, was sie ihm geben konnten.
Wenn sich die Träume änderten oder wahr wurden, zog er weiter wie sein Bruder, der Wind, der nur in dem wilden Schweigen des Landes spricht, auf der Suche nach etwas, dem weder er noch der Wind einen Namen geben konnten.
»Ich werde Ihnen helfen«, sagte Rio leise. »Und hoffen Sie zu Gott, dass es genügt.«
»Aber ich kann es mir nicht leisten ...«, begann sie.
»Ich möchte kein Geld als Bezahlung. Wenn ich einen Brunnen finde, dann werde ich Ihnen zehn Stuten bringen, die von Storm Walker gedeckt werden sollen. Sie werden die Stuten und ihre Fohlen behandeln, als wären sie Ihre eigenen Tiere, nicht besser und auch nicht schlechter. Von Zeit zu Zeit werde ich ins Sonnental kommen, werde die Pferde mitnehmen, die ich will, und werde Ihnen Stuten dalassen, die von Ihrem besten Hengst gedeckt werden sollen. So lange das Wasser in meinem Brunnen fließt.«
Als sie etwas sagen wollte, legte er ihr einen Finger auf die Lippen und brachte sie so zum Schweigen. In seiner Berührung lag Sinnlichkeit, und auch noch etwas anderes, etwas Unbeschreibliches, das ihr Herz einen Schlag lang aussetzen und danach schneller schlagen ließ.
»Denken Sie sorgfältig nach, ehe Sie mir antworten, Hope. Keiner meiner Brunnen ist je ausgetrocknet.«
Er zog die Hand weg und gab ihre Lippen wieder frei.
Sie schloss die Augen, doch noch immer sah sie Rios von der Sonne gebräunte Haut, seine Augen, die so tief und klar waren wie die Nacht. Das Echo seiner samtweichen Stimme strich wie eine Liebkosung über ihre Haut und rührte sie tiefer an, als irgendetwas sie je angerührt hatte, nicht einmal ihre Träume.
»Ja«, sagte sie, und ihre Stimme war so ruhig wie sein Blick. »Zehn Stuten. Storm Walker.« Dann sah sie ihn direkt an. »Und noch mehr, wenn Sie wollen. Pferde, Rinder, was auch immer. Ich habe eine Menge Land und kein Wasser. Noch nicht.«
Er beobachtete Hopes Gesichtsausdruck, fühlte die Ehrlichkeit in ihren Worten, hörte in ihrer Stimme, wie sehr sie ihm vertraute, und empfand Freude und Unbehagen. Er hatte ihr einen Traum genommen und dafür einen anderen geschenkt: einen nie versiegenden Brunnen, süßes Wasser, das ihre sterbende Ranch neu beleben würde.
Aber er konnte ihr nicht garantieren, dass ihr zweiter Traum besser zu verwirklichen war als der Erste. Er konnte ihr nur garantieren, dass er ihn ihr erfüllen würde, wenn es wirklich möglich war.
»Manchmal ist kein Wasser zu finden, nirgendwo, von niemandem.« Seine Stimme klang ruhig und doch rau.
Sie lächelte erschöpft. »Ja, ich weiß. Wenn das geschieht, werde ich Ihre Stuten trotzdem decken, und ich werde für Ihre Fohlen sorgen, bis das Sonnental nicht länger mir gehört.«
»Kein Brunnen, keine Bezahlung.«
»Ihre Stuten werden gedeckt werden«, wiederholte sie mit fester Stimme. »Bringen Sie sie her, egal, wann.« Mit leichtem Grinsen fügte sie noch hinzu: »Storm Walker wird Ihnen dankbar sein. In diesem Jahr musste ich meine vier verbliebenen Stuten dazu nutzen, mit den Rindern zu arbeiten, und nicht, um mit ihnen zu züchten.«
Rios Lächeln leuchtete in der Dunkelheit. Er streckte ihr die Hand entgegen. Sie schlug ohne zu zögern ein, und seine Wärme drang in sie, während das letzte Rot der Sonne vom Himmel verschwand. Seine Berührung war eine warme, lebendige Wirklichkeit, die allen Hoffnungen, allen Möglichkeiten Substanz gab.
Mit leuchtenden Augen und heftig schlagendem Herz erlaubte es sich Hope, wieder zu träumen.
»Solange das Wasser fließt«, sagte sie und drückte seine Hand fester, klammerte sich daran und erwiderte ihren Druck.
Das Echo ihrer Worte rann durch Rios Körper wie der wilde Wind, der alles, was er berührt, erbeben lässt. Er wollte Hope sagen, dass sie ihm nicht so sehr vertrauen sollte, dass sie nicht so uneingeschränkt an ihn
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