Geheimnis der Leidenschaft
berührt werden wollen.
Doch sie konnte nicht an Rio denken, ohne sich genau das zu wünschen. Von ihm berührt zu werden.
Das Geräusch des Lastwagens, der in den Hof fuhr, weckte Hope später in der Nacht auf. Die Hintertür knarrte, als sie geöffnet wurde. Sie hielt den Atem an und lauschte auf die Schritte eines Mannes auf der Treppe.
Die Dusche unten begann zu rauschen, die alten Leitungen klopften und bebten, als das Wasser die Luft aus den Rohren drückte. Rio duschte schnell und gründlich, denn das Wasser lief nur wenige Minuten.
Wieder hielt sie den Atem an.
Eine Tür knarrte. Es war die Tür, die von der Küche zu der geschlossenen Veranda führte, die den hinteren Teil des Hauses abschloss.
Hope sagte sich, dass sie nicht enttäuscht war. Sie versuchte noch immer sich das einzureden, als sie einschlief. Sie hörte nichts mehr, bis ihr Wecker am frühen Morgen klingelte. Da sie mit sauberem Gewand ins Bett gegangen war, brauchte sie nicht lange, um sich anzukleiden. Sie zog ihre Stiefel an, die Jacke, Handschuhe und Hut, dann ging sie hinaus in die Dunkelheit.
Die Kühle der frühen Morgenstunden war angenehm. Trotz des Mangels an Regen war es immerhin schon November. Hopes Atem stand weiß vor ihrem Mund, doch er wurde sofort von der trockenen Luft aufgenommen, als wäre sogar der Himmel durstig.
Die Sterne leuchteten strahlend hell, wie es nur möglich war, wenn keinerlei Feuchtigkeit in der Luft lag. Ein leichter Wind brachte die viel versprechende Kälte. Der Winter wartete darauf, aus dem Norden heranzuwehen, auf dem Rücken des eisigen Windes.
Hope rieb sich die kalte Nase, zog die Jeansjacke fester um sich und eilte in den Schuppen. Ein Hahn krähte wie ein rostiger Motor, dann versuchte er es noch einmal kräftiger, obwohl nur ein Optimist hätte sagen können, dass die Morgendämmerung sich näherte. Hennen gackerten, als hätten sie etwas gegen den lauten Ruf des Hahnes, der sie zu einem weiteren Tag der Nahrungssuche im Staub weckte.
Nachdem sie den Hühnern Futter gegeben hatte, suchte sie in den Nestern nach Eiern, während die Hennen mit ihren spitzen Schnäbeln die Körner aufpickten. Die Trockenheit hatte den Hühnern am wenigsten geschadet. Fünfzehn Eier warteten in den Strohnestern wie große Perlen in ihren goldenen Schalen. Sie zog eine Tüte aus der Jackentasche und legte die Eier vorsichtig hinein, dann verließ sie die Hühner und überließ sie dem, was sie am besten konnten - dem Fressen und dem Gackern.
Als Hope nach Dusk sehen wollte, stellte sie fest, dass Rio schon aufgestanden und in den Schuppen gekommen war. All die Aufgaben, die sie normalerweise am Morgen erledigte, waren bereits getan. Frisches Heu füllte die Futterkrippen. Alle Pferde waren gestriegelt, die Ställe ausgemistet, und frisches Stroh lag auf dem Boden jeder einzelnen Box.
Unerwartet stiegen ihr Tränen in die Augen. »Verflixt, Rio. Hast du denn überhaupt nicht geschlafen?«, fragte sie leise.
Dusk rieb den Kopf gegen Hopes Brust und automatisch tätschelte sie die Stute.
»Vielleicht schläft er ja auch im Stehen so wie ein Pferd.«
Dusk rieb sich noch fester an Hope und hätte sie beinahe umgestoßen.
Sie warf einen Blick auf den Hof an der Seite des Hauses und fragte sich, ob Rio wohl all das noch erledigt hatte, bevor er schlafen gegangen war und jetzt noch gar nicht aufgestanden war. Der staubige Pick-up, den sie und Mason immer benutzten, stand nicht auf seinem Platz. Mason war also auch schon aufgestanden und losgefahren, um einige Dinge zu erledigen, und hatte sie auf der Ranch allein gelassen. Oder Rio hatte den Pick-up benutzt.
Aber das machte eigentlich nichts. Sie hatte keinen Grund, die lange Fahrt in die Stadt zu machen. Was wirklich wichtig war, und was sie zögernd zugab, war die Tatsache, dass sie sich darauf gefreut hatte, Rio heute Morgen zu sehen, Kaffee und Frühstück mit ihm zu teilen und sich mit diesem dunklen Fremden zu unterhalten, der ihr vertrauter war als die meisten Menschen, die sie schon seit Jahren kannte.
Mit den frischen Eiern lief Hope über den staubigen mit Kies bedeckten Hof zwischen dem Schuppen und dem Ranchhaus. An der Tür zur hinteren Veranda zögerte sie. Ein schneller Blick bestätigte das, was sie bereits vermutet hatte: Rio war nicht da. Er hatte nicht einmal eine Spur seiner Anwesenheit hinterlassen. Das Bett war ordentlich gemacht, und der geflochtene Teppich lag glatt auf seinem Platz auf dem Boden. Nicht nur die Waschschüssel war
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