Geheimnis der Leidenschaft
ihr noch geblieben waren.
Und ihren Traum.
»Er hat den größten Teil der Nacht gearbeitet, um dir einen halben Tag Vorsprung zu geben«, verriet sie ihrem Spiegelbild in der staubigen Windschutzscheibe. »Wirst du den Vorsprung nutzen oder wirst du einfach nur hier sitzen und heulen, um den Trog damit zu füllen?«
Sie wischte sich die Augen trocken, umklammerte Behemoths Lenkrad und fuhr zu einem anderen Brunnen, der weiter entfernt war. Als sie dort ankam, fürchtete sie sich beinahe, hinzusehen. Sie wusste nicht, was sie tun würde, wenn Rio es geschafft hätte, vor ihr dort zu sein.
Doch das hatte er nicht. Rinder drängten sich um die nutzlose Windmühle und den beinahe leeren Trog.
Sie fuhr den Wagen daneben, kämpfte mit dem Schlauch, bis er angeschlossen war, und dann saß sie im Wagen, während der Trog sich füllte. Sie liebte den blassen Schimmer von pfirsichfarbenem und rosa Licht, der die Morgendämmerung ankündigte, und das leuchtende Orange und Rot, das die Ankunft eines neuen Tages begleitete.
Trotz der Trockenheit, trotz ihrer tiefen Angst, alles zu verlieren, und trotz der Erschöpfung, die sie wieder fühlen würde, wenn die Sonne unterging, hielt Hope jeden Tag, den sie auf der Ranch verbrachte, für ein Wunder. Es gab für sie keinen Ort auf der Welt, der so war wie das Sonnental.
Sie kurbelte das Fenster des Wagens herunter und lauschte dem Wasser, das in den Trog rann. Die Rinder brüllten und drängten sich vor, steckten ihre staubigen weißen Mäuler tief in das Wasser und tranken. Sie lächelte bei dem Anblick, dann lehnte sie sich in dem verschlissenen Sitz von Behemoth zurück und döste ein wenig, während das Wasser in den Trog rauschte.
»Ich erwarte dich zum Abendessen«, sagte Mason zu Rio. »Sechs Uhr. Wenn du es schaffst, noch früher.«
»Wenn ich um sechs noch nicht da bin, fangt ruhig schon ohne mich an. Ich esse mein Essen auch kalt.«
Mason blickte zum Himmel. Die Sonne war gerade eine Handbreit über den Horizont geklettert, aber er brauchte ihr Licht nicht, um zu wissen, dass auch heute ein weiterer Tag ohne Regen sein würde. Er schmeckte es in der trockenen Luft, fühlte es auf seinen Lippen, hörte es in dem elektrostatischen Knistern, wenn er sich auf dem Kunststoffsitz des Pickups bewegte.
»Du bist immerhin schon bei Sonnenaufgang hier«, meinte Mason ruhig. »Selbst ein gemeiner, fauler Hundesohn wie Turner kann nicht mehr als zwölf Stunden Arbeit am Tag von einem Arbeiter erwarten, besonders dann nicht, wenn er ihn nur für acht Stunden bezahlt und dann auch noch erwartet, dass man seine Mahlzeiten im Sattel zu sich nimmt.«
Rio zuckte die Schultern und zog den Hut in die Stirn. Turner nahm ihn hart ran, aber es hatte keinen Zweck, sich bei Mason darüber zu beklagen. Rio wusste, auch wenn Mason davon keine Ahnung hatte, dass Turner auf jeden Mann losging, der sich auf Hopes Ranch zeigte. Selbst wenn sie das Geld gehabt hätte, mehr Hilfskräfte einzustellen, dann hätte Turner eine Möglichkeit gefunden, sie vom Sonnental zu vertreiben. Er wollte keinen Mann unter sechzig in Hope Gardeners Nähe haben.
Ein abgründiges Lächeln lag auf Rios Lippen. Früher oder später würde Turner damit aufhören, sich dahinter zu verstecken, dass er der Boss war, und auf Rio losgehen.
Rio freute sich schon darauf.
»Je länger ich arbeite, desto früher bin ich bei Turner fertig«, antwortete Rio. »Bis heute Abend.«
Mit einem Winken wendete Mason den Wagen und fuhr auf das Tor zu. Da er schon beinahe die Hälfte der Strecke nach Cottonwood gefahren war, konnte er auch gleich noch die restliche Strecke zurücklegen und einige Dinge erledigen. Es schien beinahe so, als müsse er sich nur umdrehen, und schon hatte eine der Maschinen auf der Ranch einen kaputten Schlauch oder etwas anderes.
Ehe er das Tor erreichte, kam ein Mann an den Wagen geritten. Er erkannte in ihm Pete Babcock, einen Mann, der früher für das Sonnental gearbeitet hatte. Mason bremste und kurbelte das Fenster herunter. Babcock war früher Lehrer gewesen, jetzt war er Cowboy, Klatschtante und ein harter Arbeiter. Mason hatte ihn nicht gern gehen lassen, doch hatte er damals keine andere Wahl gehabt.
»Morgen, Mason. Ich habe dich nicht mehr gesehen, seit die neuen Kälber geboren wurden. Bist du hier, um Männer einzustellen?«
»Ich wünschte, das wäre so, aber leider ist es nicht so. Ich habe nur Rio hergebracht.«
Pete nickte und blickte mit zusammengezogenen Augenbrauen nach Osten,
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