Geheimnis der Leidenschaft
Finger. Das Fell des Tieres war dicht und ein wenig lockig und so seidig schwarz, dass es förmlich darum bat, gestreichelt zu werden. Die Kuh stieß sanft gegen Hopes Arm und erwartete ihre Aufmerksamkeit.
»Hallo, Sweetheart.« Lächelnd rieb Hope über den langen, kräftigen Rücken der Kuh und suchte automatisch nach Kratzern oder Rissen, die sie mit Veilchenenzian behandeln musste. »Wo ist denn dein Sweet Midnight?«
Sweetheart schnaubte.
»Läuft er wieder irgendwo da draußen herum, wie?«, fragte sie voller Mitleid und kraulte die Ohren der Kuh. »Nun, was kann man schon von einem halb erwachsenen Bullenkalb anderes erwarten?«
Sweetheart stupste Hope noch einmal an, diesmal schon ein wenig energischer. Die Kuh wusste, dass Hope irgendwo eine Handvoll Weizen für sie hatte.
Lachend schob Hope den muskulösen Hals der Kuh zur Seite. Genauso gut hätte sie versuchen können, die Perdidas beiseite zu schieben. Sweetheart stand fest auf ihren vier stämmigen Beinen und verlangte ihren Tribut als Hopes erste und am meisten geliebte Angus-Kuh.
»Sweetheart, wenn ich vor acht Jahren gewusst hätte, dass aus einem so süßen kleinen Kälbchen zwölfhundert störrische Pfund einer selbstbewussten Kuh werden, dann hätte ich dich als Steaks verkauft.«
Die Angus-Kuh klimperte mit ihren langen Wimpern. Ihr feuchtes Maul stieß gegen Hopes Bauch.
Hope gab das Spielchen auf und ging zurück zu ihrem Wagen, öffnete den Sack mit dem Weizen, holte eine zerbeulte Kuchenform hervor und schöpfte damit Weizen aus dem Sack.
»Hier, mein Mädchen.«
Sweetheart leerte die Kuchenform mit mehr Begeisterung als Manieren. Ihre lange, dicke, überraschend gelenkige Zunge glitt über das Metall, bis nichts mehr übrig war. Dann hob die Kuh den Kopf und sah Hope geduldig an.
»Nein«, erklärte diese. »Nur eine Ladung für dich.«
Sie warf die Kuchenform zurück in den Wagen und begann, den Schlauch vom hinteren Teil des Wagens zu ziehen. Als sie mit dem Schlauch zu dem Trog ging, machte Sweetheart ein paar Schritte zurück und beobachtete sie mit einem Blick, der Interesse, Verwirrung oder auch Belustigung hätte bedeuten können.
Keines der mehr als dreißig schwarzen Rinder zeigte sich am Trog, als Hope ihn füllte. Sie war stets sorgfältig darauf bedacht, genügend Wasser in dem Trog für die Angus-Rinder zu haben, damit die Tiere nicht drängen mussten und einander nicht niedertrampelten. Ihre Zuchtrinder waren viel zu wertvoll, um eines davon zu verlieren.
Für Hope waren die Angus-Rinder das Herzstück ihres Traumes, das Sonnental in eine produktive Ranch zu verwandeln. Dafür - und wegen ihrer massiven, muskulösen Schönheit - liebte Hope die Angus. Sweetheart war für sie mehr ein Schoßtier als die schlanken Katzen, die den Schuppen davor schützten, von Mäusen besetzt zu werden.
Sweetheart war auch ein kostbares Zuchttier. Hope hatte vier von Sweethearts Kälbern für ihre Zuchtherde behalten. Sweet Midnight, das letzte der Kälber, zeigte viel versprechende Ansätze, einmal ein Preisbulle zu werden. Einige Rancher hatten ihr schon angeboten, den robusten Jährling zu kaufen. Hope hatte sie abgewiesen, auch wenn ihr das Geld geholfen hätte.
Sweet Midnight würde den Grundstein für die Angus-Herde des Sonnentals legen. Die Kühe, die er befruchten sollte, würde Hope genauso sorgfältig aussuchen, wie sie Sweetheart ausgesucht hatte. Ihre Blutlinie war die Feinste. Das zeigte sich in ihrer trägen Anmut, an dem überraschend sanften Temperament und in ihren kräftigen, muskulösen Nachkommen.
Hope lehnte sich entspannt an Sweethearts warmen Körper und lauschte den Rindern, die das kühle Wasser aus dem Trog tranken, den sie gefüllt hatte. Andere Kühe kamen zu ihr herüber und schnüffelten an ihrem Hemd, als wollten sie Hope begrüßen. Dann gingen sie weiter und steckten ihre Mäuler in das duftende Heu, das Mason heute auf die Weide gebracht hatte.
Hope beobachtete jede Kuh, jedes Kalb. Sie kannte sie alle, ihre Stärken und Schwächen, ihr Temperament. Sie sah aufmerksam nach Anzeichen von Krankheit oder Verletzung, wie geringfügig sie auch sein mochten.
Sie fand nichts. Mit einem schiefen Lächeln stellte sie fest, dass die Rinder in einer besseren Verfassung waren als sie selbst.
Der Wind änderte die Richtung und blies etwas stärker.
Sweetheart wandte sich um und blickte an dem Wagen vorbei. Ihre stumpfen, fellbewachsenen Ohren waren nach vorn gerichtet, doch sie war nicht nervös.
Hope
Weitere Kostenlose Bücher