Geheimnis der Leidenschaft
Schachtel Zigaretten. Er behandelte es mit der gleichen Leichtigkeit, mit der er die Zügel hielt oder Stiefel, und das verriet Hope, dass er damit umzugehen wusste. Als er das Kästchen öffnete, entdeckte sie das Aufblitzen eines Spiegels auf der einen Seite, und auf der anderen Seite schien ein komplizierter Kompass zu sitzen.
Mit wachsender Neugier sah sie zu, wie er das Kästchen hochhielt, es drehte, bis es sich ungefähr auf einer Linie mit der Felsschicht befand, die ihn interessierte, dann bewegte er einen kleinen Hebel an der Rückseite der Schachtel und schrieb etwas in seine Karte. Er wiederholte den Ablauf noch einige Male und benutzte dabei verschiedene Felsschichten als Orientierungspunkt.
»Ist das ein Kompass?«, fragte sie.
»Eine besondere Art von Kompass, ja. Man nennt es einen Brunton-Kompass.« Er zeigte ihn ihr. »Der eingebaute Neigungsmesser misst die Neigung der Felsschicht. Natürlich sollte man ihn direkt auf die Felsen legen, wenn man damit arbeitet.« Er blickte zu dem riesigen, beinahe vertikalen Stück Land vor sich. »Da ich meine Bergziege auf der Ranch gelassen habe, mache ich es mir einfach. Für den Augenblick ist eine gute Schätzung gut genug.«
»Was haben Sie denn von dem Kompass erfahren?«
»Dass die Neigung der Felsschicht steil ist, aber nicht steil genug, um einen Aquifer zu verfehlen, wenn man auf der Ebene bohrt. Angenommen, es gibt überhaupt einen Aquifer in dieser zerbrochenen Masse«, fügte er hinzu und betrachtete den zerklüfteten Berg. »Und auch angenommen, dass der Aquifer unter dem Berg hindurchführt bis hin zu Ihrer Ranch, ohne durch Verwerfungen unterbrochen zu werden. Das sind viele Vermutungen.«
»Und was passiert, wenn es eine Verwerfung gibt?«
Rio stieg mit einer schnellen Bewegung wieder auf den Rücken von Storm Walker. »Manchmal versickert das Wasser an den Verwerfungen. Manchmal wird der Aquifer durch Verwerfungen so verschoben, dass man ihn nicht finden kann. Manchmal rutscht er so tief nach unten, dass man ihn nicht erreicht.«
Hope deutete auf den steilen Bergabhang, den er vermessen hatte. »Gibt es dort einen Aquifer?«
»Nein. Der Sandstein ist trocken, sonst würde es gleich hier eine feuchte Stelle geben, vielleicht sogar eine Quelle.«
Es war absurd, dass sie so enttäuscht war, doch konnte sie nichts dagegen tun. »Oh.«
Er steckte den Brunton-Kompass zurück in die Satteltasche. »Machen Sie sich keine Sorgen. Dies ist nur ein kleiner Teil des Berges, nicht einmal ein sehr repräsentativer Teil. Es ist ein Übergang zwischen dem Turner-Land und dem Ihren.«
»Wie meinen Sie das? Beide Ranches werden auf einer Seite von den Perdidas begrenzt.«
»Die Berge in der Nähe seiner Ranch bestehen beinahe ausschließlich aus Felsen des Präkambriums, anderthalb Milliarden Jahre alter Stein, der so hart ist, dass ein Stahlhammer darauf singt. Es gibt keinen Weg für das Wasser, in einen so harten Felsen einzudringen. Alles Wasser fließt an dem Berg hinunter oder sammelt sich auf der Oberfläche in Seen. Selbst dort, wo kleine Teile des Berges in die Ebene hinuntergeschwemmt wurden und sich zu grober Erde verwandelt haben, bleibt das Grundwasser wegen der undurchdringlichen Felsen in der Nähe der Oberfläche.«
Sie zog die Augenbrauen zusammen und stellte sich die relativ dünne Lage von Sand und Kies vor, die den härteren Felsen darunter bedeckte. »Deshalb hat Turner auch so viel Wasser, nicht wahr? Das Wasser kann nicht versickern und von seinen Brunnen wegfließen. Es ist da und wartet darauf, angezapft zu werden.«
»Eine Zeitlang, ja. Wenn er seine Weiden verdoppelt, wie er es vorhat, dann wird er von der Zukunft leben, und früher oder später wird er alles Wasser verbraucht haben.«
Aber wenigstens hat er eine Zukunft.
Obwohl Hope diese Worte nicht laut aussprach, hätte sie es genauso gut tun können. Rio wusste, wie verzweifelt das Sonnental Wasser brauchte. Der Wunsch lag in dem wolkenlosen Himmel, in dem trockenen Land und in Hope, die ihn beob-achtete und deren Augen erfüllt waren von Ängsten und Träumen.
14
Als Hope das Schweigen nicht länger ertragen konnte, fragte sie Rio: »Was ist denn anders mit meinen Bergen?«
»Die Felsen sind viel jünger, viel poröser. Sie erodieren viel schneller. Deshalb sind Ihre Berge auch niedriger als die von Turner, obwohl sie Teil derselben Verwerfung sind. Ihre Ebenen mit dem heruntergeschwemmten Gestein sind dicker, tiefer, und das Wasser versickert sofort
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