Geheimnis der Leidenschaft
rannen aus ihren brennenden Augen.
Sie weinte um Rio, nicht um sich selbst. Es war zu spät, sich zu schützen. Er hatte sie zu tief angerührt. Ob er nun im Sonnental das Wasser fand oder nicht, sie würde den Mann lieben, der keine Träume hatte.
»Ich werde für dich träumen, Rio«, versprach sie ihm mit leiser, rauer Stimme. »Ich werde für dich träumen, bis du deine eigenen Träume findest.«
Hope fuhr sich mit dem Arm über die Augen und wischte die Tränen ab. Dann begann sie, die Geheimnisse der Karte zu entschlüsseln, die er ihr gegeben hatte, und sie verglich Ortsnamen mit Höhenlinien, bis sie sich orientieren konnte. Mit wachsendem Vertrauen begann sie, die alten Namen einzutragen, um die Rio sie gebeten hatte.
Bewegungslos auf dem Pferd sitzend, beobachtete Rio sie bei ihrer Arbeit mit der Karte. Er wollte sich näher zu ihr Vorbeugen, ihr die Höhenlinien zeigen und ihr die Symbole erklären, doch er traute es sich nicht zu, weil seine Hände zitterten von den Gefühlen, die ihn erfasst hatten, als er gehört hatte, wie sie ihm mit rauer Stimme versprach, für ihn zu träumen.
In der Vergangenheit hatten Frauen manchmal seinetwegen geweint, wenn der Wind wehte und sie wussten, dass er bald weiterziehen würde. Aber das war nicht der Grund gewesen, warum Hope geweint hatte. Sie war die erste Frau, die tief in ihn hineingesehen und geweint hatte, als sie die Leere entdeckt hatte, wo einmal seine Träume gewesen waren. Sie hatte geweint, weil sie seine Leere und seinen Schmerz kannte. Sie hatte wegen ihm geweint und nicht wegen sich selbst.
Und sie würde für ihn träumen.
»Die restlichen Namen werde ich heute Abend eintragen«, sagte sie und faltete die Karte wieder zusammen. »Dead Man’s Boot ist uns am nächsten, und dort wächst ein so großer Salbeibusch, dass man ihn gesehen haben muss, um es überhaupt zu glauben. Einen so großen gibt es sonst nirgendwo auf der Ranch.«
Hope sah Rio nicht an, als sie sprach. Sie traute sich selbst nicht. Wenn sie noch einmal das abgrundtiefe Verlangen in seinen Augen sah, wenn er von Träumen sprach, dann würde sie nicht in der Lage sein, ihre Tränen zurückzuhalten oder ihr Bedürfnis, ihn in die Arme zu nehmen.
Sie zog die Zügel an und lenkte Aces über den Rand des Felsplateaus auf den steilen Pfad.
Rio hielt Storm Walker zurück und sah Hope nach, bis sie in einen steilen Spalt des Berges verschwand. Er hatte sich noch nie so allein gefühlt wie in diesem Augenblick, in dem ihre Worte noch in ihm nachklangen.
Ich werde für dich träumen, bis du für dich selbst träumen kannst. Ich werde für dich träumen. Ich werde träumen. Für dich.
Der Nachhall ihrer Worte war wie der Wind, der durch die Leere wehte.
»Tu das nicht, Hope«, sagte er leise, schmerzerfüllt, und ihre Worte klangen in ihm nach. »Du wirst deine Träume verschwenden, bis die Berge nicht mehr sind als Sand auf dem Boden eines namenlosen Meeres. Ich habe vergessen, wie man träumt. Träume nicht für mich.«
Doch Hopes Versprechen ging ihm nicht aus dem Kopf, ein feiner Schauer rann durch seinen Körper. Er hätte nicht schockierter sein können, wenn sie ihm gesagt hätte, dass sie ihn liebte.
Und dann begriff er, dass es genau das gewesen war, was sie gesagt hatte.
Er ließ den Kopf sinken und starrte blicklos auf seine Finger, die die Zügel umklammerten. Storm Walker bewegte sich unruhig, er wollte dem anderen Pferd folgen. Doch sein Reiter bemerkte es nicht.
Schließlich lockerte Rio den Griff um die Zügel und der Hengst trabte über den Rand des Plateaus auf den schmalen Pfad. Der schrille, vom Wind getragene Schrei eines Falken folgte ihm.
Der Schrei des Falken wurde zu einem Wort und fiel - endlos wiederholt - von dem wolkenlosen Himmel.
Hope.
15
»Bist du auch ganz sicher, meine Liebe?«, fragte Mason. Seine blassen, noch immer klaren Augen blickten besorgt in Hopes Gesicht. »Es ist wirklich nicht so aufregend, nach Salt
Lake zu fahren, nur um Truthahn und all die anderen Dinge, die dazugehören, zu essen. Wir haben auch hier in Nevada wirklich leckeren Truthahn.« Und dann erinnerte er sich plötzlich. »Teufel, heute ist dein Geburtstag. Ich kann nicht weg.«
»Natürlich kannst du das«, sagte sie. »Ich werde nicht allein sein, und selbst wenn das so wäre, wäre das auch nicht so schlimm. Ich habe schon früher Geburtstag gehabt.«
»Aber ...«
»Kein aber«, unterbrach sie ihn entschlossen. »Du wirst es sowieso kaum noch vor Thanksgiving zu
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